Nur für dich (German Edition)
zurückgelassen, in der Hoffnung, dass man es dort orten kann. Ein wenig versteckt natürlich, damit sich nicht der nächste Obdachlose freut. Und dann bin ich dir gefolgt. Es hat ziemlich lang gedauert, dich zu finden, aber wenn ich es geschafft habe, dann kommen die anderen sicher bald und holen uns hier raus.“
Thomas ließ den Kopf niedersinken. Seine unbeherrschte Dummheit hatte also auch Colin in Lebensgefahr gebracht. Ein toller Partner war er!
Hoffentlich hatte der Chief tatsächlich nach dem Handy gefahndet … Mike wusste, dass er sich hatte mit Ian treffen wollen, man würde ganz sicher nach ihm suchen!
„Du zitterst erbärmlich.“ Colin rückte ihm näher. Seine warmen Finger glitten über Thomas’ Gesicht. „Du bist halb erfroren. Komm her, sonst erlebst du deine Rettung nicht mehr.“ Bevor er auch nur daran denken konnte zu protestieren, fand sich Thomas der Länge nach an Colins Körper gedrückt wieder. Er lag auf diesem athletischen Leib, der so viel Wärme verströmte, dass Thomas unweigerlich noch dichter heranrückte. Sein Kopf ruhte in der Halsbeuge des jungen Mannes, der ihm so fremd sein sollte. So fremd war.
Starke Arme hielten ihn geborgen und er atmete tief Colins Körperduft ein, der ihm unwillkürlich Tränen in die Augen trieb.
„Hey, ähm …“, begann er, unsicher, was er sagen sollte.
„Keine Sorge. Niemand im Revier wird davon erfahren, okay?“, murmelte Colin beruhigend. „Nur weil wir unsere Körperwärme teilen, um nicht zu erfrieren, sind wir ja noch lange nicht schwul, hm?“
Das war so leicht dahingesagt, dass Thomas die Worte fehlten. Vor allem dieser eine so wichtige, empört hervorgestoßene Satz Ich bin nicht schwul!, der jetzt angemessen gewesen wäre.
Verdammt, wenn man zehn Jahre damit zugebracht hatte, sich nachts einen runterzuholen oder allenfalls ein, zweimal einen One - Night -Stand abzuschleppen … Wenn man dann so unvermittelt Bauch an Bauch mit einem äußerst begehrenswerten Exemplar des von ihm bevorzugten Geschlechts lag …
„Erzähl mir von Ricky.“ Colins melodiöse Stimme durchbrach die peinliche Stille.
„Ricky ist tot“, flüsterte Thomas gequält. „Du siehst ihm ähnlich, das hat Erinnerungen hochgespült.“
„Erzähl mir von ihm, ich habe das Gefühl, es würde dir gut tun.“ Colins Stimme berührte ihn bis in das Innerste seiner Seele. Diese Stimme, die ihn am Deutlichsten von Ricky unterschied. Unaufhaltsam glitten Thomas’ Gedanken in die Vergangenheit zurück, die er seit zehn Jahren zu verdrängen versuchte. Als er Arm in Arm mit der Liebe seine Lebens durch nächtliche Straßen gebummelt war …
„Wir hatten es nicht eilig gehabt, nach Hause zu kommen“, sagte er leise.
Im Club hatten sie sich bis an den Rand der Erschöpfung verausgabt, getanzt, gesungen und den Dark Room gleich zweimal besucht. Als Physikstudenten ohne Stipendium konnten sie sich solche Nächte nur selten leisten, und in der winzigen Bude, die Ricky und er sich teilten, gab es wenig, das sie nach Hause lockte. Wie immer war es Ricky, der die Stimme der Vernunft mimte.
„Komm, Sweet, wir müssen morgen das Referat vorbereiten, sonst macht Professor Rix uns beide einen Kopf kürzer.“
„Was in deinem Fall ein Verbrechen wäre, dein Köpfchen ist viel zu brillant und hübsch, um verschwendet werden zu dürfen.“ Thomas nutzte die Gelegenheit, sich einen Kuss von diesen Lippen zu stehlen, die ihn unentwegt lockten. Ricky war so küssenswert! In jedem möglichen und unmöglichen Moment. Schon mehr als einmal hatte Thomas wirklich alles geben müssen, ihm nicht Zunge in den Mund zu schieben, wenn er eigentlich gerade das Elektronenmikroskop justieren oder in gebannter Aufmerksamkeit den Ausführungen des Mathematikdozenten lauschen sollte. Ricky war ein stiller, ernster Typ. Wann immer er lächelte, ging für Thomas die Sonne auf, wenn er lachte, wärmte es ihn für den Rest des Tages.
Ich habe ihn nicht verdient, war der häufigste Gedanke, der Thomas überfiel. Immer dann, wenn er morgens aufwachte und das schöne Gesicht dieses friedlich schlafenden Mannes betrachten durfte. Wenn er stundenlang in seinen Büchern versunken war und sich plötzlich zwei starke Hände auf seine Schultern legten, um die verkrampften Muskeln zu massieren. Wenn er durchgefroren von der Bibliothek nach Hause kam und ein warmes Essen auf ihn wartete. Wenn er aus dem Rausch ihres gemeinsam erlebten Orgasmus’ zu sich kam und in Rickys vor Liebe leuchtende Augen
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