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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Arnold
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fuhr, ob sie schon Pläne für Thanksgiving hatte. Ob der Flug ihr auch wegen Dougs Gesellschaft so gut gefallen hatte. Und wie sie reagieren würde, wenn Doug ihr mit eindeutigen Absichten käme.
    Er riskierte nochmals einen kurzen Blick nach hinten. Doug beobachtete Martha, die ihren Trenchcoat unter dem Anschnallgurt glatt strich. Das war die Martha Cooper, die er kannte – keine waghalsige Draufgängerin à la Amelia Earhart, sondern eine pedantische Erbsenzählerin, die sich auf der Rückbank eines Taxis anschnallte. Als die hoch aufragenden Wolkenkratzer von Downtown Chicago sie einhüllten, fühlte Blake sich nicht mehr ganz so durcheinander wie vorher. Zugegeben, die Frau im Taxi beschäftigte ihn und war ihm noch immer ein Rätsel. Aber das Rätsel verwirrte ihn nicht länger, da er entschlossen war, es zu lösen.
    Es war so leicht, sich mit Doug zu unterhalten. Mit Blake würde es nie leicht sein.
    Obwohl sie nun schon seit Monaten für ihn arbeitete, hatte er noch immer dieselbe einschüchternde Wirkung auf sie. Ein Wort von ihm genügte, und sie fühlte sich wie eine unsichere Schülerin in der Gegenwart des bestaussehenden Jungen auf der ganzen Schule.
    Was um alles in der Welt erwartete er von ihr? Dachte er wirklich, sie könne etwas zu ihrer Verhandlungsstrategie beitragen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er ihre Fähigkeiten so hoch einschätzte. Im Grunde war ihr noch immer unklar, wozu ihre Teilnahme an dem Trip gut sein sollte.
    Sie dachte an Lucy und fragte sich, wie die Winstons mit ihrem Hund zurechtkamen. Ihre Nachbarn von gegenüber hatten sich bereit erklärt, für ein paar Tage Lucys Hundesitter zu sein. Sie waren reizende Leute, aber Lucy konnte ziemlich anstrengend sein. Martha hatte sie noch nie in die Obhut fremder Leute gegeben und begann, sich Sorgen zu machen.
    Ich hätte nicht mitfahren sollen, dachte sie bekümmert. Als ob sie eine Wahl gehabt hätte. Das Berufsleben hatte seine Regeln – als Angestellter wusste man, dass es unklug war, seinem Chef etwas abzuschlagen.
    Unklug? Sie wäre zum Mars geflogen, wenn Blake sie darum gebeten hätte. Auch wenn er nicht ihr Boss gewesen wäre. Auch wenn es mit ihrem Job nichts zu tun gehabt hätte.
    Sie hatte Blake während des Flugs intensiv wahrgenommen. Schräg in seinen Sitz gezwängt, saß er da, die gekreuzten Beine entlang der Sitzreihe in den Gang gestreckt, in einem Ordner blätternd und ab und zu einen Schluck aus seiner Bierdose nehmend.
    Sie hatte leichte Gewissensbisse gehabt, weil sie mit Doug plauderte, statt zu arbeiten. Obwohl sie auf dem Trip keine dringenden Arbeiten zu erledigen hatte. Auch Doug, das Gehirn der Firma, hatte es anscheinend nicht für notwendig gehalten, auf seinem Laptop zu arbeiten. Zu ihrer Überraschung entpuppte er sich als ein geistreicher, humorvoller Plauderer – eine völlig neue Seite für Martha, die den Marketingleiter nur als ernsten, für die Firma engagierten Mitarbeiter kannte. Auf dem Flug zeigte er sich erstaunlich locker und freundlich. Es war ein Vergnügen, sich mit ihm zu unterhalten.
    Blake ist auch locker und freundlich, dachte sie, während das Taxi durch den dichten Nachmittagsverkehr kroch. Dass es kein Vergnügen war, mit ihm zu reden, lag an seinen atemberaubenden blauen Augen, die sie jedes Mal verwirrten, wenn sie in seiner Nähe war.
    Das Taxi fuhr an den Straßenrand und hielt unter dem Baldachin eines Hotels. Blake zückte seine Brieftasche, um den Fahrer zu bezahlen. “Lassen Sie sich eine Quittung geben”, erinnerte Martha ihn prompt. Und biss sich ärgerlich auf die Lippen. Toll! Sie hätte ebenso gut ein Neonschild mit der Aufschrift “Buchhalterin” quer über der Brust tragen können.
    Blake ließ sich pflichtschuldig die Quittung geben und reichte sie Martha. Und lächelte dabei, so wie ein gehorsamer Schüler vielleicht seine Lehrerin anlächelt, deren Aufgabe er brav erfüllt hat. Als verkniffene Schulmeisterin gesehen zu werden erschien Martha fast noch schlimmer als das Image der nüchternen Buchhalterin. Aber spielte es eine Rolle, wie Blake sie sah? Hauptsache, er war mit ihrer beruflichen Leistung zufrieden. Als Frau nahm er sie sowieso nicht wahr.
    Durch die marmorgeflieste Lobby ging er ihnen voran zur Rezeption. In seinem lässigen Aufzug und mit der orangefarbenen Tasche über der Schulter sah er wie ein Tramp aus, der in den Sonnenuntergang wandert. Und Martha und Doug in ihren Büro-Outfits und mit ihren rollenden schwarzen Koffern wirkten

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