Nur für eine Stunde?
wäre sie eine Femme fatale gewesen, dann hätte sie diese tanzenden Lichtflecken als Zeichen von Interesse gedeutet – Interesse an mehr als einem festlichen Abend.
Sie war aber keine Femme fatale, sie war eine schlichte Buchhalterin und glaubte so etwas natürlich nicht. “Ich … weiß nicht”, sagte sie stockend. “Vielleicht ein interessantes Restaurant?”
Er erspähte ein freies Taxi und winkte. “Ich kenne die Restaurantszene in Chicago nicht gut. Am besten, wir fahren zum Hotel und erkundigen uns beim Portier.”
“Lassen Sie uns auf eigene Faust etwas suchen. Ich fühle mich abenteuerlustig”, sagte sie und war von sich selbst überrascht. Ein Abenteurertyp war sie nun wirklich nicht – ihre einzige wagemutige Handlungen war ihre Bewerbung auf Blake Robeys Stellenanzeige und ihr Eingreifen in die Verhandlungen mit Bruno Thompson gewesen. Jene magische Nacht zählte nicht – das Abenteuer mit ihrem schattenhaften Besucher hatte nur in ihrer Einbildung stattgefunden.
Abenteurerin oder nicht – der Anlass verlangte Festlichkeit. Sie stieg in das Taxi, gefolgt von Blake, und fragte den Fahrer, ob er ein Restaurant empfehlen könne. Blake musterte sie perplex, aber er lächelte.
Der Fahrer drehte sich nach hinten. “Ein Restaurant?”
“Ihr Lieblingslokal. Wo Sie hingehen würden, wenn Sie etwas zu feiern hätten.” Sie blickte zu Blake, um sicherzugehen, dass sie ihre Grenzen nicht überschritt.
Sein Lächeln wurde breiter, seine Augen schimmerten.
Der Fahrer hatte sich wieder nach vorn gedreht und schien zu überlegen. Marthas und sein Blick trafen sich im Rückspiegel.
“Ist Ihnen etwas eingefallen?”, fragte sie.
Er runzelte zweifelnd die Stirn. “Wo ich hingehen”, sagte er in gebrochenem Englisch, “Sie nicht hingehen würden.”
“Wir sind aufgeschlossene Leute”, sagte sie und wunderte sich über ihre Lockerheit. “Fahren Sie uns hin, dann können wir immer noch entscheiden.”
“Okay. Es ist Ihr Geld.” Der Mann schaltete den Zähler ein und schleuste den Wagen in den Verkehrsstrom.
Zwanzig Minuten später schienen sie in einer anderen Stadt zu sein – besser gesagt in einer anderen Welt. Verschwunden waren die Wolkenkratzer aus Stahl und Glas, die wichtigtuerischen Businesstypen mit ihren ledernen Attachékoffern. Der Taxifahrer fuhr langsam durch ein gänzlich unamerikanisches Viertel mit ärmlichen Häusern und schäbigen Eckläden und Waschsalons. Er hielt vor einer Treppe, die zu einer vier Stufen tiefer gelegenen Tür führte. “Bei Marta” war in roten Blockbuchstaben mit einem Pinsel auf das Holz gemalt. “Da unten.” Der Mann zeigte zu der knallgrün gestrichenen Tür. “Bestes Essen in ganze Stadt.”
Martha und Blake tauschten einen Blick. Ihr war etwas beklommen zumute, aber sein unbewegter Ausdruck war eine Herausforderung.
“Es ist Ihr Name”, bemerkte er trocken. “Nur ohne das h.”
. Sie gab sich einen Ruck. Ihre Kühnheit hatte ihr zu sehr gefallen, als dass sie jetzt einen Rückzieher machen konnte. Sie wollte nicht wieder zur kleinmütigen Buchhalterin schrumpfen. “Okay. Gehen wir.”
Blake bezahlte den Fahrer. “Bekommt man hier ein Taxi?”, fragte er mit einem Blick auf die für ihn ungewohnte Szenerie.
“O ja, sicher. Wenn du kein Taxi kriegen, sagen Marta, sie soll anrufen. Sagen, T. J. soll euch holen. Dann ich komme zurück.”
“Also dann …” Blake stieg aus und half Marta aus T. J.s Taxi. Wieder lächelte er, diesmal belustigt und zugleich fasziniert. “Sie haben Mut”, murmelte er, fasste ihre Hand und leitete sie die Stufen hinunter.
“Ich hoffe, dass mein Mut nach unserem Festmahl in dieser Spelunke nicht verschwunden ist”, gab sie zurück, als Blake die Tür öffnete.
Sie betraten einen schummrigen Raum, kaum größer als ein Wohnzimmer. Die Ausstattung war äußerst sparsam – einfache Tische und Stühle und an den Wänden ein paar billige Landschaftsdrucke. Fast alle der eng beieinanderstehenden Tische waren besetzt, und der Raum war von dem lebhaften Geplauder und Lachen der Gäste erfüllt, von denen kein einziger einen Anzug oder ein Kostüm trug. Eine kleine dunkelhaarige Frau kam von hinten heran, hielt zwei Finger hoch und bedeutete ihnen mit einem Kopfnicken, dass sie Platz für sie hätte. Sie brachte sie an einem winzigen Tisch in einer Ecke unter, gab ihnen zwei Speisekarten und verschwand.
Martha wappnete sich und nahm ihre Speisekarte hoch. “Mal sehen, was meine Namensvetterin an
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