Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
selbst wenn er vor ihr auf dem Boden kroch. Sie wollte ihm das und tausend weitere unerfreuliche Dinge sagen. Die Wut kämpfte mit der Vernunft. Da gab es eine Arbeit, wegen der sie gekommen war, an der sie – bislang ohne Erfolg – seit drei Monaten arbeitete. Erfolg war wichtiger als Stolz.
Hunter Brown bot ihr die beste Möglichkeit, das auszuführen, was sie ersehnt hatte und weshalb sie gekommen war. Und vielleicht, nur vielleicht, öffnete er ihr selbst die Tür für ihre Rache. Das würde alles noch versüßen.
Auch wenn sie einen riesigen Kloß im Hals spürte, schluckte Lee ihren Stolz hinunter.
„In Ordnung. Wo treffe ich Sie?“
„Ich hole Sie ab.“ Er ließ seine Finger leicht ihr Handgelenk hinaufgleiten. „Sie könnten Ihr Manuskript mitbringen. Ich bin neugierig, Ihre Arbeit zu sehen.“
Sie lächelte und dachte an den Artikel, den sie schreiben würde. „Ich zeige Ihnen sehr gern meine Arbeit“, erwiderte sie. Lee trat in ihr Zimmer und gönnte sich die kleine Befriedigung, ihm voller Wucht die Tür vor der Nase zuzuknallen.
3. KAPITEL
M itternachtsblaue Seide. Lee nahm sich viel Zeit, das Kleid für den Abend mit Hunter auszuwählen. Es war rein geschäftlich.
Das tiefblaue Seidenkleid, mit dünnen Silberfäden durchzogen,
gefiel ihr wegen des einfachen eleganten Schnitts. Kühl floss der weiche Stoff über ihre Haut und fiel raffiniert über ihren Körper. Ihr Spiegelbild befriedigte sie. Die nicht lächelnde Frau, die zurückblickte, verkörperte genau das Bild, das sie darstellen wollte – elegant, welterfahren und etwas distanziert. Wenn schon sonst nichts half, besänftigte zumindest dies ihr angeschlagenes Ego.
Bisher hatte sich Lee in ihrem Leben und in ihrer Karriere noch nie übervorteilen lassen müssen. Ihre Mundwinkel zuckten, als sie mit der Bürste durchs Haar fuhr. Es würde auch jetzt nicht geschehen.
Hunter Brown würde es von ihr zurückbekommen, schon allein wegen seines aufreizenden amüsierten Lächelns. Niemand lachte über sie und kam damit ungeschoren weg. Lee knallte die Bürste zurück auf den Frisiertisch, so dass die Toilettenfläschchen sprangen.
Als es an ihrer Tür klopfte, warf sie einen Blick auf ihre Uhr. Pünktlich. Das musste sie sich merken. Selbstbewusst griff sie nach ihrer Abendtasche und öffnete.
Typisch salopp gekleidet, aber nicht nachlässig, stellte sie fest. Sie warf einen Blick auf sein am Hals offenes Hemd unter dem dunklen Jackett. Einige Männer konnten schwarze Krawatten tragen und trotzdem nicht so elegant aussehen wie Hunter Brown in Jeans. Das war etwas, was die Leser interessieren könnte. Am Ende des Abends, erinnerte sich Lee, würde sie alles über ihn wissen, was es auch nur zu wissen gab.
„Guten Abend.“ Sie wollte ihr Zimmer verlassen, doch er hielt sie an der Hand fest und betrachtete sie.
„Sehr reizend“, stellte er fest. Ihre Hand war weich und kühl, obwohl ihr Blick noch heiß vor Ärger war. Er mochte den Kontrast. „Sie tragen Seide und einen betörenden Duft und schaffen es doch, diese Aura von Unnahbarkeit zu verbreiten. Wirklich ein Talent.“
„Ich bin nicht daran interessiert, analysiert zu werden.“
„Der Fluch oder Segen eines Schriftstellers“, gab er zurück. „Hängt von Ihrer Sichtweise ab. Da Sie selbst eine sind, sollten Sie es verstehen. Wo ist Ihr Manuskript?“
Sie hatte geglaubt, er hätte es vergessen – hatte es gehofft. Und verdammt, sie geriet wieder ins Stammeln. „Ich, äh, es ist nicht …“
„Holen Sie es. Ich möchte einen Blick hineinwerfen.“
„Ich sehe keinen Grund dafür.“
„Jeder Schriftsteller will, dass seine Arbeit gelesen wird.“
Sie nicht. Es war noch nicht ausgefeilt. Es war nicht perfekt. Und der allerletzte Mensch, dem sie einen Blick in ihre innersten Gedanken erlauben wollte, war Hunter Brown.
Doch er beobachtete sie aus diesen dunklen Augen, mit seinem so eindringlichen Blick. Befangen ging Lee zurück und holte die Mappe aus ihrem Aktenkoffer. Wenn sie ihn genügend beschäftigte, dann fand er sowieso keine Zeit hineinzusehen.
„Es wird schwer sein, es in einem Restaurant zu lesen.“ Sie verschloss die Tür hinter sich.
„Darum nehmen wir das Dinner auch in meiner Suite.“
Sie blieb wie angewurzelt stehen, doch er ergriff einfach ihre Hand und führte sie zum Fahrstuhl.
„Vielleicht habe ich Ihnen den falschen Eindruck vermittelt“, begann sie kalt.
„Das glaube ich nicht. Ich will Sie nicht verführen, Lenore.“ Obwohl er
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