Nur für Schokolade
erzählen soll. Die Wahrheit etwa? Während er darüber nachdenkt, vor allem, was Roman dazu raten würde, betritt sie wieder das Zimmer. Sie lächelt ihn an: »Hier sind die gewünschten Sachen.« Sie stellt eine Plastiktüte neben sich. Leszek läßt die Reporterin keine Sekunde aus den Augen. Es ist ihr peinlich, als sie merkt, wie Leszek ihren Körper mustert. Sie ist erleichtert, als er das Schweigen bricht.
»Was soll ich Ihnen denn erzählen?« will er wissen.
»Alles!« lautet ihre kurze Aufforderung. Leszek nickt nur kurz mit dem Kopf und beginnt, zu erzählen. Sie beobachtet ihn sehr genau und bemerkt das nervöse Umherirren seiner Augen einen stechenden Blick, der Menschen Angst machen kann. Sie versucht ständig, diesen kalten Augen auszuweichen, 69
doch es gelingt ihr nicht. Auch Leszek wird unruhig, seine Hände verschwinden unter dem Tisch. Sie ahnt, was er tut. Er erzählt weiter, immer weiter, ohne sie nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Schweiß rinnt ihm über die Stirn, er ist äußerst erregt und sie bekommt Angst. Der Wärter, der Leszek genau beobachtet, bricht die Unterredung ab. Zu gefährlich scheint ihm die Entwicklung.
»Die Besuchszeit ist zu Ende. Kommen Sie, Leszek. wir gehen«, fordert er Pekalski auf. Die Reporterin blickt zur Uhr und stellt fest, daß die ihr gewährte Zeit noch lange nicht zu Ende ist. Außerdem merkt sie, daß Leszek noch weitererzählen möchte. Dem Beamten ist dies zu riskant; unmißverständlich hält er die Tür auf.
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»Kommen Sie wieder? Ich würde mich freuen«, ruft Leszek der Frau noch zu, und greift ganz gierig nach der Plastiktüte.
»Sicher!« Ihre Antwort meint sie ernst. Daß diese Unterredung so positiv, zumindest im journalistischen Sinne, ablaufen würde, damit hätte sie niemals gerechnet. Sie wittert die Story ihres Lebens. Und dabei hatten ihre Kollegen in der Redaktion noch gelacht, als man gerade sie auswählte, diesen Menschen zu durchleuchten. Jetzt, als sie die Redaktion betritt, will sich wiederum niemand mit ihr freuen.
Einzig ihr Vorgesetzter scheint sich brennend dafür zu interessieren, was sie mitgebracht haben mag – vom ersten Besuch bei einem Mann, den ganz Polen inzwischen für viele, ungezählte Mordtaten verantwortlich macht. »Darauf ist die Stimme von Leszek Pekalski?« fragt der Chefredakteur und deutet auf ihr Tonband.
»Ja! Ich hab’s geschafft – und er will mich wiedersehen! Ich bekomme so viele Interviews wie ich nur will, das hat er mir fest versprochen.« Triumphierend reißt sie die Arme nach oben, genießt ihren Erfolg. Die Kollegen staunen nicht schlecht, als sie den Kassettenrecorder einschaltet und Leszeks Stimme ertönt. Sehr deutlich kann man ihn verstehen. Er hat viel zu berichten.
Ihr Artikel erscheint in der nächsten Ausgabe des Blattes, und es scheint, als würde ganz Polen ihn lesen wollen. Niemals zuvor hat die Öffentlichkeit von Leszek selbst erfahren können, wer er ist und was er zu berichten hat. Viele Spekulationen sind über ihn im Umlauf, doch nun spricht er selbst. Und: er redet immer wieder mit der Reporterin, was wiederum dem Staatsanwalt gefällt. Denn er sieht eine weitere Möglichkeit, über Leszek Neues zu erfahren. Welche genauen Instruktionen sie vor den Besuchen in der Strafanstalt von der Staatsanwaltschaft bekommt, bleibt ihr Geheimnis und das der Staatsanwaltschaft.
Sicher ist, daß sie – relativ leicht und immer öfter – eine Besuchserlaubnis erhält. Doch Leszek agiert schlau – einerseits 71
will er sie sehen und mit ihr reden, andererseits verweigert er es aber, über seine Taten zu sprechen.
Seine Ansprüche werden immer höher; er fordert immer
mehr Schokolade. Auch die Journalistin wird dreister. Weil er nicht über die Taten redet, will sie wenigstens ein Bid von ihm machen. Als er – für sie überraschend – einwilligt, macht sie eine ganze Serie. Es gelingt ihr auch, den anwesenden Beamten für sich zu gewinnen. Ein Bild entsteht, auf dem Leszek »nur für Sie« posiert: die Hand in der Hose.
Roman fühlt sich nicht sehr wohl bei dem Gedanken, daß Leszek dieser Reporterin alles erzählen könnte. Was soll seine Arbeit dann noch wert sein? Vor jedem Besuch der Reporterin impft er deshalb Leszek ein, bei den Gesprächen nichts über seine Taten zu erwähnen. Und er wird ungeduldiger: Wenn Leszek nicht schreibt, erteilt er ihm Fernsehverbot – die härteste Strafe für Leszek. Immer wieder versucht der, die Strafe zu umgehen, indem er Roman
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