Nur für Schokolade
gestehen.
Denn wer kann schon von einem Menschen behaupten, der drei oder vier Menschen ermordet hat, daß in dessen Gehirn noch 63
alles in Ordnung sei. Stunde für Stunde ist er damit beschäftigt, seinem Ziel näher zu kommen, nämlich ein schriftliches Geständnis dieses Mannes zu erhalten.
Er fordert ihn auf, alles zu gestehen, aber natürlich nicht bei der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, denn die sind ihm ja schon längst nicht mehr gutgesinnt. Nein, er soll alles nieder-schreiben, hier in seiner Zelle, ist der gutgemeinte Rat Romans.
Er würde ihm dabei schon behilflich sein und schlägt ihm vor, ein detailliertes Tagebuch zu schreiben. Roman will dann anschließend dafür sorgen, daß dieses Tagebuch aus dem Gefängnis geschmuggelt und in die Hände der Weltpresse gelangen wird, damit die ganze Welt erfährt, wer das wahre Opfer ist. Alle würden erfahren, daß er, dieser arme »Lesio«
nichts dafür kann, was er den Menschen alles angetan hat.
»Und wenn es alle Welt erfährt, bleibt auch den Gefängnis-psychiatern nichts anderes übrig, als dies vor Gericht zu bestätigen«, meint Roman. Nichts könnte dann unter den Tisch gekehrt oder verschleiert werden, denn allen, auch den Leuten in seinem Dorf, würde klar werden, daß er unschuldig ist.
Leszek ist begeistert. Er schenkt Roman sogar eine Tafel Schokolade für die grandiosen Ideen.
Leszek verspricht, so bald als möglich mit dem Tagebuch zu beginnen. Roman sieht sich mit diesem Versprechen schon am Ziel seiner Wünsche. Denn wie lange sollte es schon dauern, bis Leszek seine Straftaten aufgeschrieben hat? Mehr als 14
Tage würde er dazu bestimmt nicht brauchen. Roman würde ihm auch helfen, wenn er Probleme mit dem Schreiben haben sollte. Und – was sollte es schon viel zu berichten geben?
Freudestrahlend informiert Roman Z. den Staatsanwalt über seinen Erfolg. Tags darauf sucht der Staatsanwalt die Gefängnisleitung auf und ordnet an, daß die Zelle 53 des Gefängnisses nicht mehr durchsucht werden darf. Die fähigsten Vollzugsbeamten werden auf diesen Zellentrakt abkom-mandiert. Um Leszek die Arbeit zu erleichtern, wird veranlaßt, 64
daß ihm die Sicherheitsbeamten etliche Pornohefte zukommen lassen sollen. Und wie durch ein Wunder liegt nach einem Hofgang ein Stapel Papier in ihrer Zelle.
»Hab alles ich besorgt«, klärt Roman den verwunderten Leszek auf. »Ich mußte für ein paar Gefangene Anträge stellen, und da hab ich diesmal keine Zigaretten verlangt, sondern Schreibpapier.«
Das leuchtet Leszek ein. Er legt die losen Blätter sorgfältig zusammen und will mit seiner »Arbeit«, wie er es nennt, beginnen.
Roman stellt verwundert fest, wie peinlich Leszek bemüht ist, sauber und ordentlich zu schreiben, daß er die Buchstaben fast einzeln aufs Papier malt.
Leszeks Tagebuch beginnt mit der Überschrift: Leszek
Pekalski 13. Oktober 1993, Arrest Slupsk.
Roman, sichtlich nervös, unterbricht ihn, bevor er mit seinen Aufzeichnungen beginnt: »Aber du mußt jedes Detail
schildern, hörst du, wirklich jedes, das ist für die Psychiater sehr wichtig. Am besten, du beginnst mit deiner Kindheit, dann beschreibst du jeden Fall einzeln. Wenn du noch weißt, wo du die Opfer verscharrt hast, machst du eine Skizze von der Stelle.
Aber so genau, wie du es nur kannst. Nicht, daß man sagen kann, das stimmt alles gar nicht.«
»Und wenn du es ganz genau machst«, fährt Roman fort,
»kann gar nichts schiefgehen, dann muß und wird die ganze Welt erkennen, daß du unzurechnungsfähig bist. Man wird dich in eine psychiatrische Anstalt einweisen und ein bißchen behandeln. Dann müssen sie dich wieder freilassen. Verstehst du, frei. Bald wirst du ein freier Mann sein und kein Staatsanwalt und kein Richter können das verhindern.«
Daraufhin schreibt Leszek. Er gibt sich größte Mühe und glaubt selbst, daß man mit ihm zufrieden sein wird. Da ihm das Schreiben aber sehr große Mühen bereitet, er jedoch nicht nachlässig werden will, muß er oft Pausen einlegen. Er hört 65
dann Musik – Schlager, gefühlvolle Schlager. Oder er sieht sich Liebesfilme im Fernsehen an.
So vergehen Tage, für Roman endlose Tage, bis Leszek
seine Kindheit niedergeschrieben hat. Als Roman die
Aufzeichnungen liest, ist er überrascht, über welch Gedächtnis Leszek verfügt. Er kann sich an alle möglichen kleinen Begebenheiten präzise erinnern, schildert seine geheimsten Kindheitserlebnisse.
Immer mehr treibt Roman Leszek an. Er gaukelt ihm vor,
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