Nur für Schokolade
Handschrift aus dem Jahre 1991 und der eigenhändigen Opferliste, die zwei Jahre später von Pekalski geschrieben wurde, zeichnet einen Sprung in der geistigen und wahrscheinlich auch in der moralischen Entwicklung ab. In seiner früheren Schriftart kann man eine masochistische Veranlagung erkennen. Es zeigen sich allerdings keine Spuren von Aggressionen, welche mit deutlicher Verschlossenheit und 74
Introvertismus in seiner späteren Schrift zu erkennen sind.
Es gelang bei ihm nicht, die Mechanismen der Selbst-
kontrolle zu entwickeln, was bedeutet, daß er seine Instinkte und Triebe nicht beherrschen und auf normalem Weg
beruhigen kann. Deswegen beruhigt er sie bewußt und mit Vorbedacht mit sofortiger Tötung unter Einfluß einer starken sexuellen Erregung. Er kann sich selbst nicht helfen, kommt zu dem Schluß, daß er nur durch sein verbrecherisches Verhalten seinen Streß und seine Komplexe wirksam bewältigen kann. Er fühlt sich durch seine Taten »geadelt« und »emporgehoben«.
Es gibt mittlerweile kaum einen Psychiater in Polen, dem Leszek Pekaiski nicht vorgeführt wurde. Entsprechend
unterschiedlich fallen die einzelnen Gutachten aus; einige schätzen ihn als unterdurchschnittlich, andere als über-durchschnittlich intelligent ein. Überraschend ist, welch saubere und klare Handschrift Leszek hat, bedenkt man die schulische Ausbildung, die er genossen hat.
Eineinhalb Jahre befindet sich Leszek in psychiatrischer Untersuchung,
vorwiegend in der gerichtspsychiatrischen
Abteilung in Krakau. Die Polizei spottet deshalb, daß man ihn
»dort wohl ganz verrückt gemacht« habe. Ein weiteres
psychiatrisches Gutachten aus Krakau kommt zusammengefaßt zu folgendem Ergebnis:
»Er ist der klassische Fall eines besessenen Sexualtriebtäters, eines seelisch Abartigen, geprägt von schweren Persönlichkeitsstörungen: ein sozialer Außenseiter, der von seiner Umgebung nie akzeptiert wurde und sich mit Gewalt nahm, was ihm die Gesellschaft verweigerte. Ein Narziß, der seine Konflikte und Ängste sexualisierte, in sich aufstaute und so zu einer Bombe wurde, die früher oder später explodieren mußte.
Entweder würde er sich selbst umbringen oder andere.
Psychisch krank scheint er nicht zu sein. Er tötete im Vollbewußtsein.«
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Daher ist es ihm völlig egal, ob die Frauen und Männer, die er vergewaltigte noch lebten. Die Psychiatrie spricht hier von
»verdinglicht«, was bedeutet, daß Leszek seine Opfer während der Taten zu Objekten degradierte. Mit diesen Objekten konnte er tun, was er wollte, ohne an Schuld oder Reue zu denken.
Und es verschaffte ihm ein Gefühl der Allmacht. Sexualität war ihm dabei nur Mittel zum Zweck, eine Triebfeder, die er nicht steuern kann und auch nicht will. Leszek Pekaiski wird zunächst ab März 1994 in der psychiatrischen Klinik in Krakau untersucht und dann in die dortige Universitätsklinik verlegt.
Dort untersucht man ihn nochmals. Für die Auswertung eines erstellten Gutachtens werden die besten Psychiater, Psychologen, Sexualberater sowie Mitarbeiter der einzigen
international anerkannten Jagiellonen-Universität zu Rate gezogen. In diesem Ausnahmefall hat man alle Experten der Psychiatrie eines Landes beauftragt, Gutachten über Leszek Pekalski zu erstellen. Man kommt zu folgendem Ergebnis:
»Leszek Pekalski leidet unter einer Störung, die man als Nekrosadismus bezeichnet. Er tötete und schlug auf die regungslosen Körper ein. Diese Taten beflügelten ihn.«
Leszek Pekalski wird durch das ständige Umherreichen von einem Psychiater zum anderen immer dreister. Er genießt es förmlich, wie man sich um ihn bemüht. Wann in seinem
ganzen Leben hätte ihn jemals irgendwer so beachtet? Und nun dreht sich plötzlich alles um ihn, jeder ist darauf bedacht, gut mit ihm auszukommen. Er merkt sehr schnell, wie sich der Wind für ihn gedreht hat. Leszek ist nicht mehr der
unbeachtete Dorftrottel, nun wird er gegrüßt, sogar von den Männern in den weißen Kitteln. Auch gestaltet sich der Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt viel angenehmer für ihn als die Haft. Durch seine freundliche Art hebt er sich von den anderen Patienten ab und wird zum gern gesehenen Gast.
Die Freundlichkeit der Pfleger ist nicht mit dem harten Umgangston der Gefängniswärter zu vergleichen. Und oft 76
bekommt er zu hören: »Wenn Sie mir sagen, wie die Morde geschahen, kann ich Ihnen helfen.«
Sehr schnell lernt Leszek einem Psychiater »die Wahrheit«
anzuvertrauen, um
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