Nur für Schokolade
Besuch beim Herrn Staatsanwalt bin ich davon ausgegangen, daß die Staatsanwaltschaft als höhere Instanz der Polizei, deren Zusagen, was meine Strafe betrifft, einhalten würde. Doch ich habe mich sehr getäuscht. Ich glaubte, so clever wie nie in meinem Leben gewesen zu sein, heute weiß ich, ich war der größte Idiot. Ich fühlte mich sicher mit den erhaltenen Versprechungen und mußte das Gegenteil erleben.«
Dann beginnt Roman, Leszek zu beschreiben: »Leszek sah aus wie der größte Penner, als ich ihn zum erstenmal sah: zerknitterte Hosen, nicht rasiert, er hatte nachts offensichtlich in den Klamotten geschlafen, die er tagsüber trug. Er hatte Kleidung von der Fürsorgestelle erhalten, aber da er ständig zunahm, paßte ihm diese nicht mehr. Aber das war ihm egal.
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Und diesen Menschen mußte ich beim Betreten der Zelle fragen, ob ich bei ihm wohnen dürfe? Darauf bestand er.
Nachdem ich ihn fragte, vernahm ich ein großzügiges Ja.
Wahrscheinlich – oder ganz sicher –, weil ich einen Farbfernseher und einen Videorecorder hatte. Leszek hatte zwar weiter seine Rente, war aber der Meinung, daß es ihm zustünde, Kleidung zu erhalten. Sonst hätte er sich welche selbst gekauft, wie die meisten der Insassen. Lange Zeit hatte er gespart, um sich über einen Polizisten, dem er versprach, wieder einmal etwas Neues zu gestehen, einen Kassettenrecorder kaufen zu können. Denn Leszek hört gerne Musik, vor allem die Gruppe Abba.
Zu meinem letzten Geburtstag bekam ich von meiner Frau ein Feuerzeug geschenkt, das ich im Gefängnis besonders in Ehren hielt. Eines Tages legte ich es in der Zelle auf den Tisch, was ich eigentlich nie tat, ich hatte es immer in meiner Tasche aufbewahrt. Leszek sah es und zündete sich eine Zigarette damit an. Wütend verbat ich ihm das Benutzen des Feuerzeuges. Ich wollte nicht, daß er es mit seinen Händen berührte.
Als ich ihm sagte: Laß es, faß es nie mehr an!, lernte ich ihn zum ersten Mal richtig kennen. Blitzschnell sprang Leszek, das Feuerzeug noch immer in der Hand, auf und umklammerte mit beiden Händen meinen Hals. In seinen Augen erkannte ich, das ist meine letzte Stunde. Während er mich würgte, stotterte er vor Aufregung: Das gehört mir, alles hier gehört mir.
Gib acht, das Gas könnte austreten und dir in die Augen sprühen, brachte ich noch hervor. Da ließ Leszek von mir ab, gab das Feuerzeug zurück und entschuldigte sich sogar.
Nachträglich glaube ich den Grund zu kennen, warum
Leszek losließ. Es war, weil ich ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß er sich verletzen könne. So etwas kannte Leszek nicht, daß man nicht wollte, daß ihm etwas Übles widerfährt. Niemand wird sich vorstellen können, was in einem selbst vorgeht, wenn man weiß: ein Massenmörder drückt 82
einem die Kehle zu. Niemand kann verstehen und nachfühlen wie es ist, wenn einem der Tod so nahe ist. Man mußte nur seine Augen sehen, es waren die Augen eines Haies, der sie verdreht, bevor er zubeißt. Noch einmal sah ich diese Augen, die vor kurzer Zeit für viele den Tod bedeutet haben. Danach faßte mich Leszek nie mehr an. Einmal noch erlebte ich ihn in derselben Verfassung.
Eines Tages, wie so oft, sollte er zu einer Rekonstruktion am Tatort abgeholt werden, wahrscheinlich nach Breslau. Die Wärter kamen diesmal etwas früher und forderten, daß er rasch seine Sachen zusammenpacken sollte. Dies hatte man ihm noch nie bei einer solchen Gelegenheit gesagt und er kannte sich gar nicht mehr aus, bekam Angst, daß etwas geschehen würde, von dem er keine Ahnung hatte. Noch nie mußte er packen. Die Wärter waren inzwischen weggegangen, aber ich habe
bemerkt, wie Leszek sich verändert hatte, er bekam wieder diesen Blick, diesen verdrehten Blick eines Haies. Er war in diesem Moment, glaube ich, zu allem bereit. Inzwischen kamen die beiden Beamten noch einmal an die geöffnete Zellentür. Leszek wartete in sicherem Abstand nur darauf, was als nächstes geschehen sollte.
Ohne daran zu denken, was auf ihn zukommen könnte,
streckte einer der Beamten seine Hand nach Leszek aus, um ihm Geld zu geben. Geld, das er immer bekam, wenn er zu Rekonstruktionen fuhr, vor allem für Schokolade. Man wollte, daß er sich freute und durch die Geschenke leichter zu bewegen wäre, neue Tatorte bekanntzugeben. Als der zweite Wärter von ihm verlangte: Komm, mach voran, schau, daß du weiterkommst, spielte er verrückt. Er wurde sehr, sehr böse.
Man konnte sehr genau sehen, wie Leszek sein
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