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Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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konnte. Man sah sein wahres Gesicht, er war bereit, zu töten. Die Beamten erkannten die Situation und konnten gerade noch die schwere Türe zuschlagen.«
    Roman will ihm in diesem Moment zugeschrien haben, daß 83
    er sowieso zurückgebracht werde; er solle keine Angst haben.
    »Leszek beruhigte sich. Aber seine braunen Augen waren wie die eines Hai. diesen Ausdruck in den Augen vergesse ich nie.«
    Roman berichtet weiter: »Ich hatte Angst in diesem
    Augenblick, große Angst. Eines Tages erzählte Leszek mir, daß er erfahren hatte, wahrscheinlich von einem Mitgefangenen, daß es gut wäre, im Gefängnis einen zu töten, damit er in eine Pflegeanstalt käme, da würde es ihm viel besser gehen. Und ich war ihm doch am nächsten, ich war doch sein Eigentum. Dieser einfältige Mensch wurde für mich immer unberechenbarer. Eines Tages, Leszek lag im oberen Bett wie immer, fiel seine Hand nach unten, direkt in mein Gesicht. Ich wußte nicht: geschah dies im Schlaf oder war er wach? Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst wie in diesen Minuten.
    Ich hatte Bilder von meiner Frau und meinen Kindern neben dem Tisch aufgehängt und bemerkte, wie Leszek diese immer wieder betrachtete, doch ich maß dem keine Bedeutung bei.
    Eines Tages fragte er mich: Würdest du ihnen helfen, wenn ich deine Frau oder deine Kinder angreifen würde? Ich gab keine Antwort, ich wußte, daß mir Leszek diese Frage nur stellte, um zu testen, wie ich darauf reagieren würde. Ich wußte von Leszek zu viel, darauf führte ich es zurück. Meine Familie interessierte Leszek sehr. Ich fand heimliche Notizen von ihm, wo er meine Adresse und die Namen meiner Frau und meiner Kinder notiert hatte. Du bist einer der ersten, die ich besuchen werde sagte er einmal, aber wie er das meinte, weiß ich bis heute nicht. Allein der Gedanke ließ mich nächtelang nicht schlafen. Heute weiß ich, sollte Leszek je wieder freikommen, egal auf welche Art, er würde sein Versprechen einhalten.«
    Auf die Frage, ob Leszek ihn wohl mochte, antwortete
    Roman: »Wahrscheinlich, ich denke schon. Während der langen Zeit, die wir zusammen verbrachten, kamen wir uns 84
    immer näher. Hätte er all diese schrecklichen Dinge nicht angestellt, hätte er für mich ein Freund werden können. Als ich ihm das Gefühl vermittelte, daß es nicht seine Schuld wäre, sondern seine Kindheit und die Umstände seines Heran-wachsens, stand er eines Tages demonstrativ auf und sagte zu mir: Du bist mein bester Freund. Aber darauf konnte ich ja nicht stolz sein. Er ließ sich den selben Oberlippenbart wachsen, so wie ich ihn trug. Er wusch sich, ging nie ohne geputzte Schuhe aus der Zelle, er begann sogar, sich zu pflegen. Auch mir putzte er die Schuhe. Aber ich kann es nicht ertragen, wenn mir jemand meine Schuhe putzt. Ein paarmal habe ich ihn deshalb ausgeschimpft, aber es half nichts – er sah alles als sein Eigentum an. auch meine Schuhe, auch wenn sich das dumm anhört. Niemals habe ich verstanden, warum er dies tat, ob er sich bei mir einschmeicheln wollte, ich weiß es nicht.
    Heute muß ich sagen, als Leszek begann sich zu pflegen, sogar seine Wäsche reinigen ließ, begann ich ihn zu mögen. Meist war er sogar sehr rücksichtsvoll zu mir. Er lag den ganzen Tag mit seinem Kopfhörer auf seinem Bett und hörte Musik. Wenn ich nicht in der Zelle war, machte er die Musik so laut er nur konnte, wenn ich zurückkam, stellte er sofort leise. Er begann sogar zu fragen, ob er den Fernseher anmachen dürfe. Er begann, sehr höflich zu mir zu sein. Wir waren uns meist einig, welche Sendungen wir uns anschauten. Leszek sah gerne
    ,Glücksrad’ (die polnische Version). Naturfilme und Horror-filme mochte er genauso wenig wie Kriminalserien.
    Kriminalfilme erregen mich sehr, sagte er immer. Ich erinnere mich noch sehr genau an eine ,Glücksrad’-Sendung, als Leszek wieder einmal die Lösung vor den Kandidaten wußte. Die sollen die Sendung in der Zelle mit dir aufnehmen, du weißt viel mehr als die, sagte ich zu ihm, und er freute sich sehr.
    Leszek war sich bewußt, daß er meine Hilfe brauchte. Das spürte ich.
    Im Dezember 1993 sollte ich meine Verhandlung haben,

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    worauf wir beide uns sehr freuten, wir waren überzeugt, daß ich die Verhandlung als freier Mann verlassen würde. Leszek freute sich darauf, da ich versprach, ihm zu helfen, wie wir es vereinbart hatten. Am Morgen vor dem Prozeßbeginn gab mir Leszek fünf Tabletten, damit ich ruhig

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