Nur für Schokolade
macht, sie anzusprechen. Sofort erkennt sie die Veränderung, die in ihm vorgegangen ist. Sie merkt, daß sich die anfängliche Höflichkeit in blanken Haß verwandelt hat. Augenblicklich nimmt sie die erhobene Hand herunter und streckt sie instinktiv abwehrend nach vorne. Wie gebannt läßt sie seine Augen in sich eindringen – Augen des Bösen.
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Sie will weglaufen, schreien, sich wehren, doch sie steht wie angewurzelt vor diesem Menschen. Unfähig zur Gegenwehr sieht sie, wie Leszek einen Hammer aus seiner Manteltasche hervorholt und weit ausholend mit voller Wucht auf ihren Kopf einschlägt. Ewa bricht ohnmächtig zusammen. Noch fünfmal schlägt er mit dem Hammer auf sie ein, dann bückt er sich zu der reglosen Gestalt vor ihm und entblößt sie.
Den Hammer hat er bereits wieder in seine Manteltasche gesteckt. Unvermittelt bewegt sich Ewa P. etwas. Er ist leicht verwirrt, was ihn wütend macht. Er greift nach einem Stock, der im Gras neben ihnen liegt, und beginnt wie wahnsinnig, auf Ewa P. einzuschlagen. Blut spritzt ihm entgegen, alle Grenzen fallen. Er setzt sich auf ihren Bauch, wirft den Stock zur Seite und schlägt sie mit bloßen Händen ins Gesicht. Niemand sieht ihn, niemand bemerkt sein grauenhaftes Vorgehen.
Er zieht seine Hose aus, nimmt sein »Organ« (so bezeichnet er sein Glied) heraus, befriedigt sich und schlendert dann, nachdem er sich die Hose zugemacht hat und aufgestanden ist, fast achtlos davon. Zufrieden geht er anschließend durch den Park. Er bemerkt seine große Lust, ein Opfer zu quälen. Und er registriert, wie leicht es war. dieses Opfer »still« zu machen. Er verläßt den Park.
Nach einigen Minuten findet ein Bahnwärter die
blutüberströmte Frau und holt sofort einen Krankenwagen herbei. Doch Ewa liegt bereits im Sterben. Niemand kann dieser jungen Frau mehr helfen. Sie erlebt nicht mehr, daß man ihr im Krankenwagen noch die Haare abschneidet, um sie für die Operation vorzubereiten. Die Schädeldecke klafft weit auseinander und soll geschlossen werden. Sie wird tot im Krankenhaus eingeliefert.
In diesem Falle muß ein Unschuldiger, wie in vielen Fällen des Leszek Pekalski, für diesen Mord büßen: ein Arbeits-kollege des Opfers mit Namen Roman B. Er verbüßt
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unschuldig ein Jahr Untersuchungshaft. Das längste Jahr seines Lebens, wie er später berichtet. Die Auswirkungen dieses fatalen Irrtums machen ihm bis heute schwer zu schaffen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hat man ihn interviewt.
»Es sprach alles gegen mich«, schildert er. Roman B. kommt kurz nach dem Tod von Ewa P. in Untersuchungshaft. Er ist für den Staatsanwalt dringend verdächtig, sie ermordet zu haben.
Man vermutet eine Beziehung zwischen den beiden. Immer wieder beteuert Roman, daß eine solche zu Ewa P. niemals bestanden habe, sondern daß die beiden lediglich eine Freundschaft verband.
Die polizeilichen Akten sagen: Die Polizei fand einen Taxifahrer, der bezeugte, zur Tatzeit einen Mann in einem braunen Parka gesehen zu haben, der mit einem Hammer in der Hand den Tatort verließ. Roman B. hat so eine Windjacke, man findet sie, aber die Jacke ist schwarz. Untersuchungen ergeben, daß Romans Jacke Blutspuren aufweist. Man vergleicht sie mit der Blutgruppe des Opfers und sie ist identisch.
Der Taxifahrer glaubt bei einer Gegenüberstellung, daß Roman »wahrscheinlich« der Mann ist, den er am Tatort gesehen hat. Roman sagt, daß er die Jacke schon den ganzen Winter über getragen hat. Seine Freundin dagegen behauptet, die Jacke noch nie an ihm gesehen zu haben, vermutlich um ihm zu helfen. Ein Hotelportier will Roman gesehen haben, wie er aufgeregt vom Tatort kommend in der Hotelhalle umherlief, um dann an einem Tisch neben dem Empfang aus Streichhölzern kleine Häuschen zu basteln.
»Das ist er!« sind sich Hotelportier und Taxifahrer bei einer polizeilichen Gegenüberstellung später sicher. Alles spricht gegen ihn und die Schlinge zieht sich immer enger zu. Roman beteuert immer wieder seine Unschuld, aber niemand glaubt ihm. Mithäftlinge raten ihm, er solle sich »etwas antun«, er käme dann in ein Krankenhaus, von wo aus eine Flucht leichter möglich wäre. Roman B. will dies aber nicht tun.
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Nach einem halben Jahr Gefängnis tritt er in einen
Hungerstreik. Man verlegt ihn und versucht sieben Tage lang, ihn künstlich zu ernähren. Er kommt in eine psychiatrische Anstalt, lernt dort eine Frau kennen, kann tagsüber die Anstalt verlassen, kommt aber immer
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