Nur für Schokolade
wieder zurück. Er flüchtet nicht, sondern behauptet, er wolle seine Unschuld beweisen.
Im Mai 1985, er sitzt seit über einem Jahr in Untersuchungshaft, beginnt sein Prozeß.
Der Staatsanwalt ist davon überzeugt daß Roman B. der Mörder von Ewa ist und fordert 25 Jahre Haft. Die höchste Zeitstrafe, die in Polen verhängt werden kann. Darüber hinaus gibt es nur noch die Todesstrafe.
Der Staatsanwalt urteilt aufgrund der Blutgruppe von Roman so. Das Opfer Ewa besaß die gleiche. Diese an sich banale Zufälligkeit reicht aus, ihn als Mörder zu verdächtigen, denn eine genauere Analyse der Blutgruppen gibt es noch nicht. Der Hotelportier ist sich beim Gerichtstermin »nicht mehr sicher, ob es Roman war, der an dem Abend im Hotel gewesen ist«.
Auch der Taxifahrer weiß bei der Gerichtsverhandlung nicht mehr genau – hat er Roman tatsächlich erkannt? Und auch auf die Frage des Richters nach der Farbe der Jacke, die er so genau gesehen haben will, lautet seine Antwort: »Ich weiß es nicht mehr.«
Der Richter fragt Roman B.: »Warum haben Sie bei Ihrer ersten Vernehmung durch die Polizei nichts ausgesagt, was Sie hätte entlasten können?«
»Ich habe alles gesagt, stundenlang hat man mich verhört.«
Dem Richter liegt von dieser Vernehmung aber kein entsprechendes Protokoll vor. Da stellt sich heraus, daß die Polizeibeamten die Aussagen Romans nicht einmal protokolliert haben.
Schließlich zeigt sich: die Blutgruppenanalyse ist kein ausreichender Beweis. Auch die Aussagen der anderen Zeugen sind zu vage für eine Verurteilung.
97
Das Gericht spricht Roman B. am 14. Juni 1985 aus Mangel an Beweisen frei. Heute lebt er von der Sozialhilfe und muß regelmäßig einen Arzt aufsuchen.
Leszek Pekalski hat die Tat gestanden und die Tatumstände so genau beschrieben, wie es nur der Täter tun kann. Ewa P.
war sein Geschenk an sich selbst aus Anlaß seines 18.
Geburtstages. »Ich wollte auch einmal ein Geschenk!« Das war seine Rechtfertigung vor der Polizei.
Opfer Nr. 2
Kazimierz N., ermordet am 20.10.1986 in Lobez
Am Abend des 20. Oktober 1986 begegnet Leszek Pekalski im Wald nahe dem Dorfe Lobez einem 79jährigen, grauhaarigen Mann aus dem Dorf Uherce bei Stettin. Er zieht einen
Holzkarren mit Reisig hinter sich her. Der Greis sucht für den bevorstehenden Winter wie seit vielen Jahren nach Brennholz.
Seine alten Beine und seine von der Gicht gezeichneten Hände schmerzen, der Boden ist sumpfig. Immer schwerer fällt ihm das ständige Bücken. Er muß sich Zeit lassen, darf keine Bewegung übereilen. In aller Ruhe hebt er Stock für Stock auf und denkt an die Wärme, die ihm dieses Holz in den langen Wintermonaten geben wird. Kohle kann er sich schon lange nicht mehr leisten. Die Rente ist zu gering. Er ist oft im Wald.
Und da findet ihn Pekalski. Er verfolgt das Treiben des alten Mannes in einigem Abstand. Er will sich nicht bemerkbar machen. Viel zu sehr gefällt ihm, wie mühsam sich der alte Mann nach jedem Stück Holz bücken muß. Da wird er
geblendet. Auf dem Karren des Mannes liegt etwas, das die Sonne reflektiert. Er blinzelt, versucht, zu erkennen, was es ist: eine Axt. Da liegt eine Axt, und Leszek will sie sofort haben.
Der alte Mann hat sie für sich mitgebracht, aber er braucht sie nicht – zuviel Holz liegt auf dem Waldboden. Der Greis legt 98
die Axt zuweilen herum, damit er Holz aufschichten kann, was den Beobachter noch unruhiger macht. Er schleicht sich an, näher und näher – er will diese Axt, mit der der Alte noch
»herumspielt«. Das Blitzen des blanken Stahls zieht ihn magisch an, es spiegelt sich in seinen kalten, kleinen, teuflischen Augen. Pekalski ist nur noch wenige Meter von dem Greis entfernt. Der alte Mann hört schlecht und bemerkt die Gefahr nicht, die sich knackend und trampelnd den Weg durch das Unterholz bahnt. Leszek taucht im Rücken des Mannes auf, ergreift gierig die Waffe und tanzt mit ihr neben dem Karren. Der Mann ist noch immer damit beschäftigt, Äste und Zweige zu finden, er bemerkt ihn nicht einmal, als Leszek mit einem mächtigen Satz direkt hinter ihm auftaucht. Da dreht sich der Alte erschrocken um. Er sieht einen jungen Mann, der mit erhobener Axt auf ihn zustürzt, denkt an einen Räuber und will gerade erklären, daß er kein Geld hat, als die Axt schon auf ihn niedersaust. Mit einem mächtigen Hieb spaltet Leszek Pekalski den Kopf des wehrlosen alten Mannes. Pekalskis Augen sind verdreht – er hat nur noch wilde Raserei in sich. Er
Weitere Kostenlose Bücher