Nur für Schokolade
keine Probleme bereitet.«
»Aber er hat Probleme mit den Mitgefangenen. Ist es richtig, daß man ihm nach dem Leben trachtet?«
»Sicher, aber in meinem Gefängnis wird niemand getötet, so lange ich Direktor dieses Hauses bin. Es ist nicht meine Aufgabe, über Menschen zu richten, meine Aufgabe ist es, die Menschen zu verwahren.«
»Sagen Sie uns, was für ein Mensch ist Roman, der lange Zeit mit Leszek auf einer Zelle war und der ihn dazu gebracht hat, ein Lebensgeständnis zu schreiben?«
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»Roman ist ein Schwätzer, er redet sehr viel und nur die Hälfte dürfen Sie glauben. Bitte fragen Sie mich aber über ihn nicht mehr weiter, denn Roman ist ein Zeuge in diesem Prozeß und wird bald aussagen.«
»Roman ist doch flüchtig, schon seit langer Zeit. Wie will das Gericht da zu einer Zeugenaussage kommen?«
»Sie sind nicht über den neuesten Stand informiert. Roman sitzt seit kurzem in der Strafanstalt in Danzig ein, man hat ihn verhaftet. Doch fragen Sie nicht weiter, ich kann Ihnen dazu nicht mehr sagen.«
»Was ist die höchste Strafe, die derzeit ein Gefangener in Ihrem Arrest, so sagt man doch in Polen zu einem Gefängnis, verbüßt?«
»Das sind zwei Jugendliche mit einer Strafe von acht Jahren wegen bewaffneten Raubüberfalls mit besonderer Brutalität.
Doch Sie können schon nach Verbüßung eines Drittels ihrer Strafe wieder entlassen werden, das schreibt das Gesetz in Polen vor.«
»Wäre das bei einer Zeitstrafe auch bei Pekalski denkbar?«
»Bei guter Führung, und hier ist er ja Vorbild, ganz sicher spätestens nach Verbüßung von zwei Drittel der Gesamtstrafe.«
Der Direktor holt über Telefon den Leiter der Vollzugsbeamten in sein Büro und ordnet an. daß das Fernsehteam nun das gesamte Gefängnis besichtigen könne und dabei Film-aufnahmen genehmigt seien. Ein klares Wort, doch der Beamte kann nicht glauben, was ihm aufgetragen wurde.
»Alles?« fragt er zögernd.
»Ich glaube, ich habe mich klar ausgedrückt, oder?«
»Ja, natürlich, Herr Direktor, das ganze Haus.«
So wandert das TV-Team mit laufender Kamera durch das Gefängnis. Man zeigt ihm die Bibliothek, mit ungefähr ein-tausend in Packpapier eingebundenen Büchern, die allen Gefangenen zur Verfügung stehen. Man öffnet den Gemein-schaftsraum, in dem am Nachmittag Fernsehen angesagt ist 197
und natürlich von allen Gefangenen gern angenommen wird.
Besonders stolz ist man auf die ärztlichen Behandlungszimmer und die eigene Zahnarztpraxis, die den Gefangenen zweimal in der Woche zur Verfügung stehen. Der leitende Vollzugsbeamte wird gefragt, wie Leszek sich denn in den Ablauf eines Gefängnisses integriert hat.
»Im Gefängnis ist Leszek Pekalski nicht sicher, die
Mitgefangenen würden ihn am liebsten töten. Das ist eine schwierige Situation für uns, wir müssen ihn ständig bewachen.
Weil er ein Sexualmörder ist, steht er in der Gefängnis-hierarchie ganz unten. Solche Menschen werden verachtet, solche, die Frauen töten und sie anschließend vergewaltigen.
Nur ein einzelner Hofgang mit anderen Gefangenen wäre zu gefährlich, ein unbewachter Moment, ein Messer, und der Fall Pekalski wäre für immer erledigt. So sehen es die
Mitgefangenen.«
Offensichtlich hören die Mitgefangenen zu, denn aus den Zellen rufen sie: »Ein Vergewaltiger, ein Kindermörder, das ist kein Mensch, nicht einmal ein Tier würde so etwas tun.«
Dann kommen sie in den ersten Stock und sehen die Zelle 53, in der Leszek Pekalski seit nunmehr fast vier Jahren einsitzt. Am Ende des gelb getünchten Ganges bleiben alle stehen. Bereitwillig schließt der Beamte die Zelle auf und teilt fast beiläufig mit: »Das ist die Zelle Leszek Pekalskis!«
Der Kameramann betritt den kleinen Raum und filmt jeden Winkel – das also ist die Zelle des Killers. Des Mörders, der seine Opfer ohne Gnade verstümmelte und großes Leid über ungezählte Familien brachte. Hier drin sitzt er. Der Raum ist geheizt, und draußen, in der Freiheit, frieren viele recht-schaffene Menschen. Er aber hat alles, was er zum Leben braucht – ein Bett, Nahrung, Kleidung, große und kleine Extras von diversen Interviews. Es mag klar sein, warum er all die vielen Gelegenheiten zu einer Flucht nie genutzt hat. Wo könnte es ihm besser gehen? Auch einen Stapel Pornohefte hält 198
die Kamera fest; sie sind wohl Leszeks wichtigster
Zeitvertreib. Wofür er draußen, in Freiheit, Menschen getötet hat, dafür genügen ihm jetzt Fotos.
Auf dem
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