Nur für Schokolade
äußern?«
Den Kopf nach unten richtend und mit leiser Stimme beginnt Janina C. mit Ihrer Aussage:
»Hohes Gericht, ich habe in meiner Aussage als Zeugin die Unwahrheit gesagt!«
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Die Sensation ist perfekt, das Gericht muß mit der Räumung des Saales drohen, damit der Prozeß weitergeführt werden kann. Stockend, den Tränen nahe, fährt die Angeklagte fort:
»Ich bin an diesem Abend mit Sylwia zu dem vereinbarten Platz gegangen, ich war viel zu neugierig, was dort geschehen würde. Sylwia wollte unbedingt, daß ich mitgehe, ich glaube, sie hatte doch ein wenig Angst davor, sich mit diesem Mann alleine zu treffen.«
»Sie geben also zu, die Unwahrheit bei Ihrer Zeugenaussage vor Gericht – und das unter Eid – gesagt zu haben.
Angeklagte?«
»Ja, das gebe ich zu« stammelt Janina C. und ihr Schluchzen wird immer stärker.
»Aber warum haben Sie denn nicht damals schon die
Wahrheit gesagt. Sie hätten sich doch wirklich vieles ersparen können?«
Janina blickt zu ihrem Vater und fährt nach einer Weile fort:
»Ich hatte solche Angst vor meinem Vater. Er hat mich damals geschlagen, als er davon erfuhr, daß ich am Abend mit Sylwia diesen Mann getroffen habe. Meine ganze Familie machte mir Vorwürfe, daß es sich nicht gehöre, in meinem Alter, sich mit einem Mann am Waldrand zu treffen. Sie warfen mir vor, was die Leute des Dorfes von mir denken würden, wenn sie dies erfahren würden, und daß ich dann nie einen Mann bekommen würde.«
Dabei beginnt Janina zu weinen. Tränen laufen über ihr Gesicht, als sie dem Gericht ausführlich schildert, wie ihre Eltern reagierten, als sie alles von diesem Abend mit Sylwia beichten mußte. Ihr Vater sei damals völlig außer sich geraten, wiederholt sie immer wieder. Sie schluchzt so sehr, daß das Gericht Mühe hat, sie überhaupt zu verstehen. Sie kann kaum mehr sprechen, als sie die Worte wiedergibt, von denen sie nie geglaubt hätte, daß sie je ein Fremder erfahren würde.
»Du … du bist eine Hure. Eine Hure! Treibst dich in deinem 187
Alter mit fremden Männern im Wald herum. Eine Schande bist du für deine Mutter und für mich, sagte mein Vater und schlug mich unentwegt. Und dabei habe ich doch gar nichts
Unanständiges getan. Ich bin doch nur mit Sylwia mitgegangen und wir wollten doch nur die Brote vorbeibringen.«
Es ist still geworden in dem großen Saal. Bestürzt betrachten die Prozeßteilnehmer die junge Frau.
»Ich bin keine Hure!« verkündet sie laut und setzt sich auf ihren Stuhl. Immer wieder schüttelt sie ihren Kopf, als wolle sie der ganzen Welt zeigen, daß es nicht richtig gewesen sein kann, wie ihr Vater über sie dachte.
Das hohe Gericht ist beeindruckt, und es gibt wohl keine Person im Raum, die diese Aussage nicht berührt hat. Keiner kann den Vater verstehen, obwohl doch viele Väter so
gehandelt hätten.
»Nun, Angeklagte, ich hoffe Sie haben sich schon wieder ein wenig gefaßt, oder sollen wir eine kurze Pause machen?«
Janina nickt nur und der Vorsitzende ordnet eine Pause von zwanzig Minuten an.
Alle Beteiligten müssen den Saal räumen. Sie strömen
hinaus auf den Gang und sind gespannt, wie sich Janina und ihr Vater jetzt verhalten werden. Janina steht langsam von der Anklagebank auf und geht, ohne jemanden zu beachten,
geradewegs zu ihrem Vater, der auf sie wartet. Sie nimmt ihn bei der Hand. So verlassen beide den Saal. In einer Ecke des Ganges nimmt Herr C. seine Tochter in den Arm. Der so hart wirkende Mann kann plötzlich seine Gefühle nicht mehr kontrollieren und beginnt zu weinen. Ständig sieht ihn seine Tochter mit großen, verweinten Augen an und wischt ihm Tränen aus dem Gesicht. Man spürt förmlich, daß sie ihren Vater wohl noch nie zuvor weinen sah. Liebevoll und zärtlich streicht er mit der Hand durch ihr Haar und drückt sie immer stärker an sich.
Nach der Pause sind alle Zuhörer auf ihren Plätzen und 188
warten gespannt auf den Fortgang der Verhandlung. Vater und Tochter stehen noch immer wortlos auf dem Gang. Erst die Aufforderung der Protokollführerin an die Angeklagte, wieder ihren Platz einzunehmen, trennt die beiden. Der Vorsitzende führt seine Hand zum Kinn und überlegt offensichtlich.
»Herr Staatsanwalt, haben Sie noch Fragen an die Zeugin?«
»Ja, hohes Gericht. Angeklagte, wurden Sie für die heutige Aussage von irgendjemandem unter Druck gesetzt?«
Worauf die Angeklagte nur mit dem Kopf schüttelt.
»Hohes Gericht, ich stelle Antrag, Leszek Pekalski
vorführen
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