Nur für Schokolade
zu lassen!« Jedem im Saal ist die Wichtigkeit der nun folgenden Geschehnisse klar. Jetzt kommt es darauf an, ob Janina Leszek Pekalski als den Mann identifizieren kann, der an diesem Abend mit ihr und Sylwia zusammen war.
Nach wenigen Minuten wird Leszek zwischen zwei Polizeibeamten in Handschellen vorgeführt. In seiner bekannten gebeugten Haltung tritt er in den Zeugenstand. Ohne
aufzusehen, wartet er darauf, was auf ihn zukommt. Leszek weiß nicht, was Janina ausgesagt hat. Er versucht, mit verstohlenem Blick auf Janina, die Lage zu ergründen, doch diese hat ihr Gesicht noch immer hinter dem Taschentuch versteckt.
»Angeklagte, stehen Sie auf. Erkennen Sie in dem Zeugen vor Ihnen den Mann wieder, der sich mit Ihnen und Sylwia am 25. Juni 1991 am Waldrand getroffen hat?«
»Ich glaube schon, aber der Mann, mit dem wir zusammen waren, war viel schlanker und viel ungepflegter.«
Da dreht sich Leszek zur Zeugin und lächelt sie an, ein Lächeln, das Janina den Atem stocken läßt.
Der Staatsanwalt holt die Polizeiakte mit dem Foto Leszeks hervor, als er festgenommen wurde. Er geht an Leszek vorbei und zeigt es der Angeklagten.
»Hat er so ausgesehen, war es dieser Mann, den Sie gesehen haben?«
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»Ja, das ist er, ich glaube schon«, antwortet sie ohne zu überlegen, und Leszek fährt erschrocken zusammen.
Er ist wütend, wird aber schnell abgeführt. Selbst-
verständlich ist auch ihm klargeworden, was diese Aussage für ihn bedeuten kann. Dem Gericht und auch dem Staatsanwalt ist nicht mehr daran gelegen, Janina mit einer hohen Strafe das weitere Leben zu verbauen. So erkennen die Richter auf eine milde Gefängnisstrafe zur Bewährung. Glücklich verläßt Janina C. mit ihrem Vater Hand in Hand das Gericht.
Auch der Gerichtsdiener Andrzej W. verläßt den Saal. Er geht zur Asservatenkammer. Hier hat das Gericht alle Beweise im Fall Pekalski aufbewahrt: Säcke voller Unterwäsche, die man im Bettkasten gefunden hat, ein Babystrampelhöschen, Messer, Knüppel und Stangen, mit denen Leszek getötet haben soll. Die Axt, mit der Kazimierz N. umgebracht wurde.
In Deutsehland hat inzwischen das Interesse an dem Fall Leszek Pekalski ebenfalls zugenommen. Einige Fernsehanstalten schicken Kamerateams nach Polen, um die
Lebensgeschichte eines Massenmörders aufzuzeigen. Eines dieser Teams wird mehr erreichen, als es bei der Abreise selbst zu hoffen wagte
– liegt es an der zwanzigjährigen
Dolmetscherin, einer sehr hübschen Blondine?
Nachdem die Besuchs- und Dreherlaubnis ausgestellt sind, wird vereinbart, am nächsten Morgen mit einem gemieteten Leihwagen nach Slupsk zu fahren. Punkt 14 Uhr klopft das Team an das eiserne Tor in der Sadowa Straße 1, des
Gefängnisses von Slupsk. Es wurde beschlossen, daß zunächst die Dolmetscherin und ein Eingeweihter, der dem Sender vorab einige Besuchserlaubnisse verschafft hat. mit dem Gefängnisdirektor sprechen. Direktor Zbigniew O. empfängt die
Besucher sehr freundlich und hat sich offensichtlich Zeit genommen. Bereitwillig erzählt er, daß er eigentlich Lehrer, aber seit 1974 in diesem Gefängnis tätig ist. Direktor und 191
Leiter dieser Anstalt wurde er 1983, berichtet er und genießt unverstellt die Neugierde über sich und ,seine’ Anstalt.
Derzeit befinden sich siebzig Gefangene in seiner Obhut.
Arbeit gebe es keine, so daß die Inhaftierten Tag und Nacht in ihrer Zelle verbringen
– ausgenommen der einstündige
Hofgang, der jedem Häftling zusteht. Während das Team noch überlegt, welche Fragen über Leszek Pekalski angebracht sind und welche nicht, müssen sie überrascht feststellen, wie auskunftsfreudig der Direktor ist.
»Sie können anschließend unser Haus besichtigen: Leszek ist noch bei Gericht und wir wissen nicht, wann er in die Anstalt zurückgebracht wird.« Auf eine schüchterne Frage, ob man denn auch Leszeks Zelle filmen dürfe, erhält das Duo zur Antwort: »Meine Mitarbeiter werden Sie durch das ganze Haus führen und Sie können filmen, was Sie wollen. Wir haben nichts zu verbergen.«
Daraufhin werden auch das Kamerateam und der Redakteur hereingeholt. Es dauert einige Zeit, bis die Kamera im Büro des Direktors aufgebaut ist. Die Bitte nach einem Interview vor laufender Kamera erfüllt er dabei gerne. Schnell kommt das Gespräch auf Leszek.
»Was für ein Gefangener ist Leszek Pekalski?«
»Leszek fügt sich in die Gepflogenheiten eines Gefängnisses sehr gut ein. Er ist nicht renitent, er ist ein Gefangener, der
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