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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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vergessen, um zu überleben. Und ich stehe dazwischen. Und verstehe beide, Vater und Sohn.›
    Anna fragte, ob Simon noch immer einen Bart trage. Dagmar konnte sich zuerst nicht erinnern, dass Simon je einen Bart getragen hatte.
    ‹Stimmt›, sagte sie, ‹damals hatte er ja einen Bart. Den schnitt man ihm in Anderau ab. Seither hat er keinen mehr.›
    Anna drehte sich zum Tisch.
    ‹Darf ich auf Ihre Toilette?›, fragte sie.
    ‹Sie wissen ja, wo sie ist›, sagte Dagmar, ‹und, Anna, wenn Sie etwas brauchen, vielleicht einen Lappen, einen Kamm, sagen Sie es mir.›
    Den Rucksack am Arm, ging Anna in die Toilette und schloss die Tür.

    Bald elf Uhr -
    Den Braten wenden -

    Dagmar glaubte, sie höre Anna das Fenster der Toilette öffnen. Sie zog eine Schublade heraus, nahm daraus eine Zigarette, griff das Feuerzeug, das in einer Schale lag, gefüllt mit Schlüsseln, Streichhölzern und einer Packung Aspirin. Die Schale, rot, weiß, gelb, mit vier Griffen,hatte sie vor Jahren gekauft, an einem zehnten April, ein Geschenk für Albert.
    Dagmar war mit Albert ins Krankenhaus gefahren, er am Steuer des Opels, sie daneben.
    Sie sagte: Ich werde an dich denken.
    Sie legte ihre Hand auf seinen Schenkel, Albert schob sie weg.
    Ich kann die Gänge nicht schalten, wenn deine Hand hier liegt, sagte er.
    Es war früher Morgen, wenige Tage vor Ostern. Gegen acht Uhr erreichten sie das Krankenhaus am Rand von Aberwald. Dagmar küsste Albert und wollte nicht weinen, Albert ließ sich küssen.
    Ich muss jetzt hinein, sagte er.
    Ich denke an dich, Albert.
    Um neun schoben sie Albert Mangold in den Saal, baten ihn, bis zehn zu zählen, er kam bis vier.
    Dagmar saß im Wartezimmer, jemand fragte: Wollen Sie eine Zeitung?
    Sie schüttelte den Kopf und sah zur Decke, quadratische Gipsplatten mit kleinen Löchern.
    Jemand fragte: Wollen Sie wirklich keine Zeitung? Dagmar fragte: Darf man hier rauchen?
    Draußen, nicht hier.
    Draußen geht nicht, sagte Dagmar, ich muss warten. Um halb zehn trat ein junger Mann ins Zimmer, hellgrüne Hose, hellgrünes Hemd, in der Hand hielt er ein kleines Paket: Sie sind bestimmt Frau Mangold? Dagmar stand auf.
    Wie besprochen, Frau Mangold, Sie nehmen nun die Autobahn Richtung Geerschach, Ausfahrt Dorenborn, fahren ins Zentrum der Stadt, beim Heinrichplatz links, der Weg ist ausgeschildert, Krankenhaus am Steinernen Ring. Dort bringen Sie das Paket zum Institut für Pathologie und übergeben es einem Herrn Röthlein. Der erwartet Sie, wenn Sie zügig fahren, in einer halben Stunde. Da drin ist also Gewebe aus dem Hoden Ihres Manns, in Eis gepackt. Die Analyse in Dorenborn dauert eine weitere halbe Stunde. So lange behalten wir Herrn Mangold in Narkose. Und je nachdem, wie der Bescheid aus Dorenborn lautet, ob es Krebs ist oder nicht, machen wir dann weiter, entfernen den Hoden oder nicht. Passen Sie auf sich auf, sagte er.
    Dagmar wollte weinen, konnte nicht.
    Sie setzte sich in den Opel, legte das Paket auf den Beifahrersitz und fuhr los, Richtung Dorenborn. Sie griff sich das Paket und schob es, um es zu schützen, zwischen ihre Beine. Sie hielt das Paket mit ihrer rechten Hand, streichelte es. Nach zwanzig Minuten war Dagmar in Dorenborn, Krankenhaus am Steinernen Ring.
    Und jetzt?
    Sie fuhr zurück nach Aberwald und nahm den Aufzug in den zweiten Stock, wo ihr Mann lag, betäubt und aufgeschnitten. Dagmar ging durch den Flur und suchte jemanden, den sie fragen könnte, ob die Nachricht aus Dorenborn schon eingetroffen sei. Niemand war da. Dagmar begann zu rennen, rannte in einen zweiten Flur, niemand da. Sie öffnete eine Tür, niemand drin, eine zweite Tür.
    Dagmar war plötzlich schlecht, sie stützte sich an die Wand und suchte einen Stuhl, keiner da. Sie setzte sich auf den Boden, rutschte weg und fiel.
    Man fand sie und erschrak, lud Dagmar auf ein Bett, gab ihr Wasser, ein Medikament.
    Ist das Urteil schon da?, fragte sie.
    Welches Urteil?
    Dagmar hatte keine Stimme mehr, sie zitterte.
    Endlich trat der junge Mann an ihr Bett, hellgrüne Kleider.
    Negativ, Frau Mangold, Glückwunsch.
    Dagmar schenkte Albert eine Schale, Keramik in hellen Farben, rot, weiß, gelb, mit vier Griffen, und füllte die Schale mit Eiern aus Schokolade.
    Vater nahm Mutter in die Arme, drückte sein Kinn auf ihren Scheitel.

    Wo bleibt sie so lange? -

    Dagmar legte Zigarette und Feuerzeug neben die Schale, löste von einem Haken zwei Handschuhe aus weichem dicken Stoff, öffnete den Ofen, Dampf quoll heraus und

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