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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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und einem Schuss Zitrone. Das ist dasGeheimnis. Den mochte Simon, als er noch hier war. Am liebsten hätte er jeden Tag davon gegessen. Schmorbraten im eigenen Saft, innen saftig, außen knusprig. Simon macht jetzt die Nachrufe beim Holdener Tagblatt. Aber das hab ich bereits erzählt, glaube ich. Denke ich an Rindsbraten, möchte ich hier Gitter und Stäbe verbiegen. Das schrieb er, als er im Gefängnis war. Rindsbraten schrieb er, nicht Rinderbraten. Noch heute sagt Simon Rindsbraten und nicht Rinderbraten. Obwohl er ja, bevor er die Nachrufe übernahm, Korrektor war. Wollen Sie nicht warten, bis er kommt? In drei Viertelstunden ist er hier. Elf Uhr fünfzig am Nordbahnhof. Er würde sich freuen, Sie zu sehen. Albert holt ihn ab, Albert sollte längst hier sein. Der Gottesdienst, normalerweise, dauert vierzig Minuten. Länger wollen die Leute nicht, länger halten die Leute es in der Kirche nicht aus an einem gewöhnlichen Sonntag.›

    Sie macht einem Angst -

    ‹Jetzt stehen wir hier in der Küche und wissen nicht weiter›, sagte Anna Baumer.
    ‹Wir könnten uns setzen›, sagte Dagmar.
    ‹Könnten wir›, sagte Anna.
    ‹Möchten Sie aufs Sofa? Sie sehen müde aus. Auch erfroren, wenn man das so sagen kann. Ich bringe Ihnen eine Decke, wenn Sie möchten, und Sie legen sich, bevor Sie gehen, eine Weile aufs Sofa, bevor Sie gehen.›
    Anna Baumer setzte sich auf das kurze Küchensofa, altesschwarzes Leder, an manchen Stellen grau, und sagte: ‹Keine Decke, Frau Mangold, bitte.›

    Anna fragte, ob es zu dieser Wohnung nur jene Tür gäbe, durch die sie am Morgen gekommen sei.

    Dagmar sah zur Uhr.
    ‹Albert müsste jetzt kommen. Eigentlich müsste er längst hier sein. Aber wenn im Lauf der Woche ein Begräbnis war, wollen die Leute oft reden. Das dauert. Albert kann die Leute nicht stehenlassen, wenn sie noch reden wollen. Zwanzig nach elf. Und ich noch im Morgenrock.›
    ‹Gibt es zu dieser Wohnung nur die Tür, durch die ich am Morgen gekommen bin?›
    ‹Nur diese, ja.›
    Sie schwiegen.
    Dagmar stand neben dem Kühlschrank und überlegte, eine Zigarette zu rauchen, Anna saß auf dem Sofa, den Rucksack neben sich, draußen fiel Schnee in kleinen leichten Flocken.

    Um diese Zeit saß ich im Regionalexpress von Holden nach Aberwald, Weihnachtsgebäck neben mir, das mein Vater sehr liebte, einen Christstollen mit Mandeln und Rosinen. Ich saß im Regionalexpress und dachte an meine Kinder, Charlotte und Tim, die es vorzogen, einen Schneemann zu bauen statt mit mir zu sein. Ich sah aus dem Fenster, mochte keine Zeitung lesen, mit niemandemreden, Schnee fiel in kleinen leichten Flocken, ich legte meinen Kopf an die Scheibe und spürte ihre Kälte.

    ‹Auch keine Tür aufs Dach?›, fragte Anna.
    Dagmar schüttelte den Kopf.
    ‹Weiß denn jemand, außer Albert und ich, dass Sie hier sind?›, fragte Dagmar.
    Anna hob die Schultern.
    ‹Ich zieh mich jetzt an›, sagte Dagmar, ‹möchten Sie noch etwas trinken? Wasser? Kaffee?›
    ‹Es ist gut so›, sagte Anna.
    ‹Ich zieh mich jetzt an.›
    ‹Sie brauchen keine Angst zu haben, dass ich etwas klaue, während Sie sich anziehen›, sagte Anna.
    Dagmar überlegte eine Antwort, fand keine, ging ins Wohnzimmer, von dort ins Schlafzimmer, sie sah sich im Spiegel des Schranks, ihr Haar bauschig und fahl, Dagmar drehte sich weg. Sie zog den roten Morgenrock aus und warf ihn aufs Bett, zog eine schwarze Hose an, eine rote Bluse, darüber eine Weste aus Samt, schwarz und grau. Sie sah sich im Spiegel, fuhr mit den Fingern ins Haar, zupfte, drückte.

    Albert wird sie rausschmeißen -
    Ich kann das nicht -

    Dagmar kam in die Küche zurück, Anna stand am Fenster und drehte sich nicht um.
    ‹Liegt schon Schnee auf der Straße?›, fragte Dagmar.
    ‹Eine letzte Frage, Frau Mangold. Ihr Mann hat Simon nie verziehen?›
    Dagmar zog eine Schublade, nahm daraus eine Zigarette, griff das Feuerzeug, das in einer Schale lag, gefüllt mit Schlüsseln, Streichhölzern und einer Packung Aspirin. Dagmar zog den Rauch ein, stieß ihn hastig aus.

    Sie fühlt sich schuldig. Sonst stellte sie diese Frage nicht -

    ‹Albert hat nicht das Talent, zu verzeihen.›
    Dagmar klopfte die Asche ins Spülbecken.
    ‹Und umgekehrt hat Simon Albert nie verziehen, dass sein Vater nicht log, als eine Lüge ihn vor dem Gefängnis hätte bewahren können. Wollen wir uns nicht setzen?› Sie drehte den Wasserhahn auf und hielt die Zigarette in den Strahl, Anna hob den Rucksack auf ihren

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