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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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Schnee gestreut. Er kniete nieder und sammelte die Nudeln ein, eine nach der andern, in der Nacht. Und füllte die Tüte und rannte zum Italiener. Der merkte nichts. Oder wollte nichts merken. Auf jeden Fall kamen wir so zu unseren breiten Nudeln. Stimmt, wir hatten damals Gäste.›

    Dagmar drehte den Wasserhahn auf und hielt die Zigarette in den Strahl, riss ein Stück Haushaltspapier von der Rolle, wickelte den Stummel ins Papier, öffnete das Fach, in dem der Mülleimer stand, warf den Stummel hinein.

    Was meine Mutter war:
    leidensbereit
    leidensunfähig
    Optimistin
    (manchmal) schlampig
    gastfreundlich
    keine Perückenmacherin

    ‹Ännchen›, sagte Anna leise.

    ‹Und als die Pläne größer wurden als die Liebe, war ich Rosa, Simon war Carlo. Unsere Decknamen.›
    Anna lachte.
    Sie hat ein helles Lachen -
    ‹Menschlichkeitspläne, Gerechtigkeitspläne, Freiheitsund Gleichheits- und Schwesterlichkeitspläne, Umweltpläne, Pläne aller Art.›
    Dagmar ging drei Schritte und zog den Gürtel des Morgenrocks fest, wartete neben dem hohen blauen Kühlschrank.
    Setze ich mich jetzt an den Tisch, glaubt Anna Baumer, sie sei willkommen -

    ‹Albert und ich saßen im Gericht, weit hinter dir, Anna. Paul war nicht mitgekommen, dein Vater. Er sagte, das ertrage er nicht, dich so zu sehen. Sein Herz, sagte Paul, mache das nicht mit. Ich weiß noch, Sie saßen weit vorn, irgendwo links weit vor uns, Ihre Verteidigerin neben sich.
    Damals waren Sie noch blond.›
    Dagmar schwieg und rieb sich die Hände.
    ‹Ihr Vater schwieg und hatte ein Gesicht, das ich an ihm noch nie gesehen hatte, als wir nach der Verhandlung zu ihm gingen. Er fragte: Wie lange? Albert legte den Arm auf Pauls Schulter: Neun Jahre. Neun Jahre Gefängnis. Dann drehte Paul Baumer sich weg und schluchzte.›

    ‹Ja›, sagte Anna.

    ‹Ich muss weiter›, sagte sie.
    ‹Waren Sie Simon böse, dass er nur zwei Jahre bekam, Sie aber neun?›
    ‹Böse?›
    Anna sah vom hellen Holz auf.
    ‹Simon sagt, im Gefängnis habe er Ihnen lange Briefe geschrieben. Behauptet er, und keinen hätten Sie beantwortet.›
    Anna stellte den Rucksack auf den Tisch und stand auf, sie ging zum Fenster, blieb zwei Schritte vor dem Fenster stehen.
    ‹Ein Schinkenbrot›, sagte Dagmar, ‹ich mache Ihnen ein Schinkenbrot.›
    ‹Kein Schinkenbrot›, sagte Anna.
    ‹Salami?›
    ‹Nichts, nichts. Ich will nichts, ich mag nichts. Ich sollte längst weg sein.›
    Der Backofenwecker schellte, 11:15.
    Anna Baumer erschrak, drehte sich schnell zum Tisch und sah Dagmar ins Gesicht, sie packte den schwarzen Rucksack und sah sich um, Anna sah zu Dagmar, zur Tür zum Wohnzimmer, zur Tür zu Simons Zimmer, drückte den Rucksack an den Bauch.
    Diese Angst, dachte Dagmar, sah ich auch in Simons Augen, als er aus dem Gefängnis kam. Das Gefängnis hatte ihn jünger gemacht, wieder zum Knaben, das Gefängnis, dachte Dagmar, hatte ihn zurückgeworfen um das Doppelte der Jahre, die er darin gewesen war.
    Albert, der nie lärmte, lärmte: Junge, mach dich endlich nützlich, zum ersten Mal in deinem Leben, such dir eine Arbeit, bis heute Abend um sechs hast du eine Arbeit gefunden, ist das klar? Überall suchen sie Kellner,Verkäufer, Hilfsarbeiter, kein Problem, heute eine Arbeit zu finden. Schau in der Zeitung, telefoniere durch die Gegend.
    Albert schrie.
    Er ging in sein Büro, schloss laut die Tür und rief einen Bekannten an, der eine Kantine betrieb, und fragte, ob er Arbeit habe für einen Sohn, der im Begriff sei zu missraten. Der Bekannte hatte eine Stelle frei, Albert kam in die Küche, Simon saß hier am Tisch, über das Telefonbuch gebückt, Albert hielt ihm einen Zettel hin.
    Hier, morgen früh um sieben beginnst du zu arbeiten, sagte er, so macht man das!
    So macht man das!

    ‹Anna, das ist der Backofen, die Uhr›, sagte Dagmar leise, ‹der Backofenwecker, damit ich weiß, ich muss den Braten wenden.›
    Den Rucksack vor dem Bauch, stand Anna in der Küche und sah in den Flur, sie trug einen blauen Pullover ohne Ausschnitt, eine graue Hose, Sportschuhe aus schwarzem Leder, Erde daran.
    ‹Du brauchst nicht zu erschrecken›, sagte Dagmar leise. Sie stellte den Wecker ab, führte die Hände in die dicken weichen Handschuhe und öffnete den Ofen, Dampf quoll heraus und schlug ihr ins Gesicht, sie ergriff den Bräter und zog ihn aus dem Ofen, stellte ihn auf den Herd. Mit zwei Gabeln wendete sie den Braten, schob ihn wieder in den Ofen und schloss die Tür.
    ‹Mit Rosmarin

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