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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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schlug ihr ins Gesicht. Sie zog den Bräter aus dem Ofen, stellte ihn auf den Herd. Mit zwei Gabeln wendete sie den Braten, vorsichtig, damit der Saft nicht spritzte, schob ihn wieder in den Ofen, schloss die Tür.
    Denke ich an Rindsbraten, innen saftig, außen knusprig, möchte ich hier Gitter und Stäbe verbiegen -
    Sie stellte den Backofenwecker, 11:15.
    Sie sitzt am Tisch! -
    Jetzt sitzt sie wieder am Tisch, Anna Baumer -

    ‹Hallo›, sagte Dagmar, ‹ich hab Sie nicht kommen hören.›
    Anna saß am Tisch, aufrecht, das lange wellige Haar gekämmt, Dagmar schien, Annas Gesicht sei geschminkt, ihre Wangen, zuvor weiß oder rot, waren jetzt gelb und stark. Anna Baumer saß am hellen Tisch, ihren Rucksack auf dem Schoß, den langen Mantel über den Stuhl gelegt, den Schal daneben, und sah zum Fenster.

    Anna spinnt! -

    ‹Es riecht gut›, sagte Anna.
    ‹Der Braten›, sagte Dagmar, ‹ich habe ihn gewendet, als Sie auf der Toilette waren.›
    ‹Ja›, sagte Anna.
    ‹Elf Uhr ist vorbei›, sagte Dagmar, die neben dem Kühlschrank stand, die Hände vor dem Bauch, ‹ich sollte mich anziehen.›
    ‹Da drin hab ich mit ihm geschlafen, wenn Sie und Herr Mangold in der Kirche waren.›
    Anna zeigte auf die Tür zwischen Fenster und Schrank.
    ‹Da drin haben wir Liebe gemacht, Liebe und Pläne. Simon war neunzehn, ich vier Jahre älter, Simon noch am Gymnasium, ich an der Uni. Liebe und Pläne haben wir gemacht. Wenn Sie und Herr Mangold vom Gottesdienst kamen, saßen wir hier am Tisch, gut erzogen. Wirwollten nicht, dass Sie wussten, was wir machten da drin, wenn Sie in der Kirche waren. Liebe und große Pläne. Bevor Sie von der Kirche kamen, öffneten wir die Fenster.›

    Wenn ich jetzt eine Zigarette anzünde, meint sie, ich machte es mir gemütlich -

5 Nudeln
    ‹Ich nannte ihn einen Schissling›, sagte Anna, ‹weil er immer Angst hatte, Angst vor diesem, Angst vor jenem. Ich habe Simon geliebt, weil er Angst hatte. Er hat mich geliebt, weil ich Brüste habe.›
    ‹Stört es Sie, wenn ich rauche?›, fragte Dagmar.
    ‹Weshalb fragen Sie?›, fragte Anna.
    ‹Aus Höflichkeit›, sagte Dagmar.
    ‹Aus Höflichkeit›, sagte Anna.
    Dagmar steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an, zog den Rauch ein, stieß ihn hastig aus.
    Ich zittere immer noch -
    Sie schwiegen.

    ‹Er nannte mich Ännchen.›

    ‹Dass er ängstlich war, das stimmt›, sagte Dagmar, die Zigarette zwischen den Fingern.
    ‹Einmal, da war Simon vielleicht acht oder neun, es war schon dunkel, Winter wie jetzt, da schickte ich ihn zum Einkaufen. Damals gab es an der Ecke zur Weiherdammstraße noch diesen kleinen Laden, ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, ganz klein war er, geführt von einem Italieneroder Portugiesen, vielleicht. Jetzt, glaube ich, ist dort drin ein Bräunungsstudio oder so. Simon wollte nicht gehen. Er fürchtete die Dunkelheit, keine Ahnung, weshalb. Ich glaube, bis er zwölf war oder dreizehn, ließ er nachts in seinem Zimmer ein Licht brennen, obwohl wir es ihm verboten. Da war nichts zu machen. Eine Zeitlang nahmen wir ihm nachts die Glühbirnen weg. Da schlich er ins Wohnzimmer und machte Licht und schlief auf dem Teppich. Die Nacht machte ihm Angst. Und deshalb ging er auch nie mit ins Klassenlager oder zu den Pfadfindern. War Klassenlager, war Simon krank, schon Tage vorher. Er sollte Nudeln holen. Königsnudeln hießen die. Diese breiten Nudeln. Schmale mögen wir ja nicht, das heißt, Albert mag sie nicht. Simon isst keine Nudeln. Deshalb werde ich heute, wenn er kommt, auch keine Nudeln kochen, sondern Reis. Reis mag er. Ich glaube sogar, wir erwarteten damals Gäste. Kann sein.› Dagmar sah sich nach einem Aschenbecher um, klopfte die Asche ins Spülbecken.
    ‹Und da musste er sich halt überwinden. Jeder muss sich überwinden. Das musste Simon lernen. Und da kommt er mit schmalen Nudeln zurück, nicht mit den Königsnudeln. Die schmalen, wie gesagt, mögen wir nicht so sehr. Da musste er noch einmal auf den Weg, die schmalen gegen die breiten tauschen. Wie gesagt, es war dunkel und Winter. Und auf dem Weg zu diesem Italiener oder Portugiesen musste Simon durch den Park, Sie wissen schon, Anna, wo dieser alte Engel steht, mit dem weggebrochenen Arm. So verzweifelt war Simon und sowütend, dass er das Paket aufriss und die schmalen Nudeln in den Schnee streute. Wie von Sinnen. Und als er sie verstreut hatte, kam er wieder zu sich und sah, was er getan hatte, die Nudeln in den

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