Nur in deinen Armen: Roman
des Herrenhauses bis auf Lucifer war in der Kirche gewesen, sogar der Neuankömmling im Ort, sein neuer Kammerdiener. Bristleford hatte ihr erklärt, dass Mr Cynster sich nach dem letzten Einbruchsversuch entschieden hatte, auf das Haus aufzupassen.
Phyllida fragte sich, ob das wohl der wirkliche Grund dafür war, dass Lucifer zu Hause geblieben war, oder ob es sich herausstellen würde, dass er, getreu seinem Namen, genauso unregelmäßig wie andere Gemeindemitglieder die Kirche besuchen würde.
Ihr Sonnenschirm schützte sie vor der Sonne, als sie die Straße überquerte und auf das Herrenhaus zuging. Sie näherte sich dem Eingangstor und ging etwas langsamer, dabei dachte sie darüber nach, ob ihr ein Vorwand für einen Besuch einfallen würde.
Aus den Schatten hinter der offenen Tür beobachtete Lucifer, wie sie am offenen Tor zögerte. Er hatte sich in Horatios Geschäftsbücher vertieft, als ihn eine Ahnung aus seiner Konzentration gerissen hatte. Er hatte aufgeblickt und war dann aufgestanden, um zum Fenster zu gehen. Sein Blick war von der Gestalt angezogen worden, die entschlossen über den Dorfanger geeilt kam, hübsch in ihrem elfenbeinfarbenen Sonntagskleid, mit dem Sonnenschirm, der ihr Gesicht schützte. Er konnte nur schwer einschätzen, welches Ziel Phyllida hatte.
Er hatte im Flur gewartet - immerhin wollte er nicht zu voreilig sein. Das würde ihm nicht helfen. Sein Blick ruhte auf ihrer Gestalt, auf den sanft gerundeten Brüsten und Schultern, auf dem dunklen Haar, das ihr Gesicht einrahmte. Mit Horatios herrlichem Garten zwischen ihnen betrachtete er sie, dann machte er einen Schritt aus dem Schatten.
Sie entdeckte ihn und reckte sich, fester schloss sich ihre Hand um den Sonnenschirm. Es war keine Furcht, nur Aufmerksamkeit - eine eifrige Erwartung, das fühlte er. Er ging durch den Garten und blieb vor dem Tor unter dem mit Rosen überwucherten Bogen stehen. Dort konnte er sich mit der Schulter anlehnen, dann verschränkte er die Arme vor der Brust und sah sie an.
Sie betrachtete ihn und versuchte herauszufinden, in welcher Stimmung er war. Doch das war nicht einfach.
Sie legte den Kopf ein wenig schief. »Guten Morgen. Bristleford hat gesagt, du würdest auf das Haus aufpassen. Ich nehme an, der Eindringling ist nicht zurückgekehrt?«
»Nein. Es war alles ruhig.«
Sie wartete einen Augenblick. »Ich habe mich gefragt, ob Covey wohl etwas gefunden hat - irgendein äußerst kostbares Buch vielleicht oder eines, in dem sich ein Grund für einen Mord verbirgt.«
Wie viel sollte er ihr verraten? »Hast du eigentlich irgendwelche Gerüchte über Lady Fortemain gehört?«
Ihre Augen wurden groß. »Über Lady Fortemain? Gütiger Himmel, nein!«
»In diesem Fall könnte es sein, dass wir etwas gefunden haben.«
Phyllida wartete. Als er aber einfach nur dastand und sie ansah, als sein Gesicht nichts mehr verriet, drängte sie ihn: »Nun? Was war es denn?«
Es dauerte einen Augenblick, ehe er antwortete. »Es geht um eine Widmung in einem Buch.«
Das hatte sie sich schon gedacht. »Und was steht in dieser Widmung?«
»Was hast du am letzten Sonntag in Horatios Salon gesehen?«
Phyllida erstarrte. Der unterschwellige Ton seiner Stimme wurde ihr plötzlich deutlich. »Du weißt, dass ich dir das nicht sagen kann - noch nicht.«
Seine Augen waren ganz dunkel, sein Blick ruhte fest auf ihrem Gesicht. »Weil es noch jemand anderen betrifft?«
Sie presste die Lippen zusammen, doch dann nickte sie. »Jawohl.«
Sie starrten einander über das Tor von Horatios Garten hinweg an. Er stand ganz entspannt vor ihr, dennoch war er in ihren Augen dunkel, gefährlich und teuflisch gut aussehend, eingerahmt von weißen Rosen. Die Sonne brannte auf sie hinunter, der warme Wind hüllte sie ein.
Dann bewegte er sich, er stieß sich von dem Rosenbogen ab und richtete sich auf. Sein Blick hielt den ihren noch immer gefangen. »Ich hoffe, eines Tages wirst du mir vertrauen.«
Er zögerte, denn senkte er den Kopf, wandte sich um und ging zur Haustür zurück.
Nach drei Schritten blieb er wieder stehen. Ohne sich zu ihr umzuwenden, begann er zu sprechen. »Geh den Weg durch das Dorf nach Hause zurück. Bis der Mörder gefasst ist, sind der Wald und die Büsche für dich nicht der richtige Ort.«
Einen Herzschlag lang wartete er, dann ging er weiter.
Phyllida sah ihm nach, bis er im Haus verschwunden war. Erst dann wandte sie sich ab. Ihr Gesicht war wieder vollkommen ausdruckslos, als sie Jem zuwinkte,
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