Nur mit dir sind wir eine Familie
paar Monaten die Scheidung einreichen wollte.
Charlotte wünschte, ihr fiele etwas ein, womit sie die plötzliche Spannung zwischen ihnen wieder vertreiben könnte, hatte jedoch Angst, die Situation nur noch schlimmer zu machen.
Erst als sie ihr Sandwich halb aufgegessen hatte, riskierte sie wieder einen Blick in seine Richtung und stellte fest, dass er sie seltsam ansah. Sie bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln. „Hier gibt es noch immer die besten Austern der Stadt, findest du nicht?“, fragte sie.
„Sie sind das Gedränge und den Lärm wert, oder?“, gab er schwach lächelnd zurück.
„Auf jeden Fall. Danke, dass du vorgeschlagen hast, hierhin zu gehen.“
„Gern geschehen.“
Sein Tonfall klang wieder viel wärmer, sodass Charlotte erleichtert aufatmete. Sie konnte Seans rasche Stimmungswechsel zwar nicht nachvollziehen, war jedoch gern bereit, mit ihnen klarzukommen, wenn sie dafür seine Hilfe bekam.
Nach dem Essen kehrten sie zu Seans Büro zurück, um seinen SUV aus der Tiefgarage zu holen und zur Robideaux Agency zu fahren. Auf den Straßen war ungewöhnlich viel los, sodass Sean sich auf den Verkehr konzentrieren musste. Charlotte machte sein Schweigen nichts aus. Im Gegenteil, sie war froh über die Gelegenheit, sich innerlich auf das Treffen mit ihrer Beraterin Mrs Herbert einstellen zu können. Bisher hatte Charlotte nämlich erfolgreich verdrängt, dass sie der Agentur gleich ein glückliches Paar vorspielen mussten. Zu lügen war ihr grundsätzlich zuwider, aber leider blieb ihr in dieser Situation nichts anderes übrig.
„Hey, du siehst ja plötzlich so ernst aus“, riss Sean sie aus ihren trüben Gedanken. Charlotte stellte überrascht fest, dass sie bereits auf dem Parkplatz hinter der Agentur angekommen waren.
„Ich bin ein bisschen nervös“, gestand sie nach kurzem Zögern. „Immerhin könnte Mrs Herbert ihre Meinung noch ändern, wenn sie uns aus irgendeinem Grund für … ungeeignet hält.“
„Warum sollte sie? Sie hat uns doch bereits akzeptiert. Wir haben einen ausgezeichneten Ruf, genug Geld und kein Vorstrafenregister.“
„Aber du und ich … wir sind nicht wirklich …“ Charlotte stockte und hob den Blick zu ihm, sah jedoch rasch weg, als sie das Verstehen in seinen hellgrauen Augen aufblitzen sah.
„Was auch immer wir für Schwierigkeiten miteinander haben, beeinträchtigt nicht deine Fähigkeit, ein Kind großzuziehen. Biologische Eltern lassen sich auch scheiden, und ihre Kinder gewöhnen sich daran. Es ist ja nicht so, dass wir total entfremdet sind oder uns einen Rosenkrieg liefern. Und auch finanziell wirst du dir keine Sorgen machen müssen, das garantiere ich dir.“
Charlotte war zwar noch immer nicht glücklich darüber, den wahren Zustand ihrer Ehe verheimlichen zu müssen. Aber sie verstand, dass es notwendig war, wenn sie das Mädchen adoptieren wollte. Und sie wollte die Adoption – mehr als alles andere.
Na ja, mehr als fast alles andere, fügte sie im Stillen hinzu und streifte ihren Mann mit einem sehnsüchtigen Blick, als sie den mit Pfützen bedeckten Parkplatz überquerten. Denn was sie am liebsten wollte, war eine richtige Familie – Mutter, Vater und Kind. Dass Sean sich jedoch Mühe gab, ihr die Zweifel zu nehmen, anstatt die Chance zu nutzen, die ganze Sache abzublasen, gab ihr wieder Hoffnung.
„Bist du so weit?“, fragte Sean, als sie vor der Tür angekommen waren.
„So einigermaßen“, antwortete Charlotte.
„Dann heb das Kinn und lächle, Schatz“, ermunterte Sean sie. „Zeig Mrs Herbert, was für eine tolle Adoptivmutter du sein wirst.“
Er hatte recht. Es wäre ein Fehler, sich die Unsicherheit anmerken zu lassen. Die Agentur wollte selbstsichere und starke Eltern, Und das war sie schließlich – sie musste es nur noch zeigen. „Aye, aye, Sir. Noch was, Sir?“, wiederholte sie den Scherz vom Morgen und lächelte tapfer.
„Braves Mädchen“, lobte Sean sie, öffnete die Tür und lotste Charlotte zur Rezeption.
Das Treffen mit Bethany Herbert verlief ausgesprochen positiv. Sie war sehr erfreut darüber, dass die beiden ihre Unterlagen schon dabeihatten, und gab ihnen jede Menge Tipps für die Reisevorbereitungen. Unter anderem nannte sie ihnen eine Fluggesellschaft mit einer guten Verbindung nach Almaty und ein paar Hotels, die andere Eltern empfohlen hatten.
Zusätzlich teilte sie Charlotte und Sean mit, dass sie in vier bis fünf Wochen die restlichen Papiere erhalten würden, sodass sie
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