Nur mit dir sind wir eine Familie
würde, auch wenn sie am Telefon immer sehr freundlich zu ihm gewesen war. Streng genommen gehörte das Haus zwar noch immer ihm, aber er hatte das Gefühl, seit seinem Auszug nicht mehr das Recht zu haben, dort nach Belieben ein- und auszugehen.
Die von alten Eichen gesäumte Allee entlangzufahren, fühlte sich seltsam vertraut an – ein Eindruck, der sich beim Anblick des alten Hauses auf dem Hügel noch verstärkte.
Es handelte sich um das ehemalige Herrenhaus einer kleinen Plantage, die wie auch das Haus in New Orleans seit Generationen im Besitz von Seans Familie war. Bis zu seinem fünften Lebensjahr hatte er dort gewohnt. Doch als sein Vater beruflich immer öfter unterwegs gewesen war, war Seans Mutter, die sich auf dem Land ohnehin nie wirklich wohlgefühlt hatte, mit ihm nach New Orleans gezogen.
Das Haus in Mayfair war danach zu einer Art Sommerhaus geworden, das die Familie nur noch gelegentlich aufsuchte. Nach seinem Highschool-Abschluss war er immer seltener dort. Und auch nachdem er es von seinen Eltern geerbt hatte, wurden seine Besuche nicht häufiger. Die Zeit bei der Armee und die Gründung seiner Firma hatten ihn einfach zu sehr in Anspruch genommen.
Irgendwann beschloss er, es zu verkaufen. Also kehrte er an einem sonnigen Oktoberwochenende dorthin zurück, um sich einen Eindruck vom Marktwert zu verschaffen. Als er auf der Veranda ankam, rannte er zu seiner Überraschung direkt in eine junge Frau hinein, die eine Kamera in der Hand hielt: Charlotte.
Verlegen und wortreich entschuldigte sie sich für ihr unbefugtes Eindringen. Sie erklärte, dass sie normalerweise nicht so neugierig war, dass das Haus sie jedoch schon seit ihrer Ankunft in Mayfair so faszinierte, dass sie einfach nicht hatte widerstehen können. Und ob es nicht eine Schande sei, dass ein so schönes altes Gebäude von seinem Besitzer derart vernachlässigt wurde? Sie war so bezaubernd, dass Sean sich sofort zu ihr hingezogen fühlte.
Als er ihr mitteilte, dass er der nachlässige Besitzer war, errötete sie heftig und versprach, sofort zu verschwinden. Zu diesem Zeitpunkt war Sean ihr jedoch bereits verfallen, sodass er nicht vorhatte, sie je wieder gehen zu lassen. Stattdessen bot er an, ihr das Haus zu zeigen, und sie stimmte zu. Sieben Monate später waren sie verheiratet.
Zusammen renovierten sie das Haus, wurden Teil der Gemeinde von Mayfair, schlugen Wurzeln und fanden neue Freunde. Trotz seiner häufigen berufsbedingten Aufenthalte in New Orleans betrachtete Sean das Haus auf dem Land als sein Zuhause … oder vielmehr ihr gemeinsames.
In der Kieseinfahrt angekommen, warf Sean einen wehmütigen Blick auf das Haus. Es sah noch genauso aus wie in seiner Erinnerung – warm und einladend. Die weiß lackierten Schaukelstühle auf der Veranda waren leer, aber Charlottes kleiner Sportwagen stand in der Einfahrt. Anscheinend war sie zu Hause.
Sean schaltete den Motor aus, stieg aus dem Auto und ging langsam den breiten, gepflasterten Weg entlang. Als er die breiten Stufen zur Veranda hochstieg, klopfte sein Herz schneller. Vor der glänzenden Doppeltür mit den ovalen geschliffenen Fensterscheiben blieb er stehen und holte tief Luft. Eigentlich gab es gar keinen Grund für seine Nervosität. Er war schließlich nur gekommen, um Charlotte einen Gefallen zu tun. Wenn sie das nicht zu schätzen wusste, war das eben ihr Problem. Oder …?
Zu Seans Bestürzung wurde ihm bewusst, dass er mehr von ihr wollte als nur Dankbarkeit. Irritiert wegen seiner verworrenen Gefühle drückte Sean auf die Klingel. Offensichtlich wusste er nicht, was er eigentlich wollte, zumindest was Charlotte anging.
Er wartete. Die Vögel zwitscherten in den alten Eichen, und eine kühle Brise wehte über den Rasen, doch ansonsten blieb alles still. Nervös schob Sean die Hände in die Taschen seiner Lederjacke und trat von einem Fuß auf den anderen. Wenn Charlotte gerade oben beschäftigt war, konnte es natürlich ein paar Minuten dauern, bis sie zur Tür kam. Sollte sie jedoch mit ihren Freundinnen unterwegs sein …
Erleichtert hörte er plötzlich den Klang von Schritten auf den Holzdielen in der Halle, gefolgt von dem Zurückschieben des Riegels; dann wurde die Tür geöffnet. Sean musste unwillkürlich lächeln, als Charlotte vor ihm stand. Sie trug ausgeblichene Jeans und ein mit Wandfarbe bespritztes rotes Sweatshirt, dessen Farbton ihre helle Haut zum Leuchten brachte.
„Hey, ich hoffe, ich komme nicht ungelegen“, sagte er anstelle
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