Nur mit dir sind wir eine Familie
als ihm die Luft ausging, löste er widerwillig die Lippen von ihrem Mund. „Ach, Charlotte …“, murmelte er schwer atmend. „Ich wollte dich immer nur glücklich machen.“
„Das tust du noch immer, Sean. Mit deiner Hilfe bei der Adoption.“
Ihre Worte ernüchterten ihn, so wie ein Eimer kaltes Wasser ins Gesicht es getan hätte. Abrupt ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. Das war alles, was sie ihm nach dem Kuss zu sagen hatte? Dass er sie mit seiner Hilfe bei der Adoption glücklich machte? Und was war mit der Scheidung?
Oh Gott, war er naiv! Hatte er wirklich gedacht, dass er ihr noch etwas bedeutete? Charlotte bedauerte es vielleicht, seine Gefühle verletzt zu haben, aber der Kinderwunsch kam für sie nach wie vor an erster Stelle. „Hey“, antwortete er mit gepresster Stimme. „So bin ich eben – jederzeit gern zu Diensten“, fügte er mit einem Anflug von Sarkasmus hinzu. „Willst du noch mehr Milch?“
Sie sah ihn wieder mit jener Mischung aus Gekränktheit und Verwirrung an, die er schon früher am Abend an ihr bemerkt hatte. Es schien, als hätte sie nicht die geringste Ahnung, was seinen Stimmungswandel bewirkt hatte, traue sich aber nicht nachzufragen.
„Nein, ich habe genug“, antwortete sie spitz und schob ihm die Tasse in die Hand. Ihr Tonfall implizierte, dass sie damit nicht nur die Milch meinte. „Ich lasse dich dann mal mit deinem Vertrag allein.“
Sean hätte die Tasse fast fallen gelassen, als Charlotte steif und mit hoch erhobenem Kopf an ihm vorbeiging und die Treppe hinaufstieg.
„Ich würde morgen gern frühzeitig anfangen“, rief er ihr hinterher.
„Ich werde um acht unten sein, falls dir das nicht zu spät ist!“
„Nein, acht Uhr ist in Ordnung.“
Die Stille, die auf das laute Zuschlagen der Gästezimmertür folgte, war ohrenbetäubend – und ziemlich demoralisierend. Sean ließ sich auf den Sessel fallen, den seine Frau gerade verlassen hatte, und starrte auf den Orientteppich zu seinen Füßen.
Warum schaffte er es einfach nicht, mit ihr zu reden, ohne ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen verbalen Hieb zu verpassen? Früher hatte sie immer das Beste in ihm hervorgebracht, sogar dann, wenn sie sich stritten. Aber inzwischen war er so zynisch geworden, dass sie ihn manchmal ansah wie ein Monster. Und dann fühlte er sich noch elender als ohnehin schon.
So oder so, er konnte nur verlieren. Es war nun einmal eine Tatsache, dass es Charlotte wichtiger war, Mutter zu werden, als mit ihm verheiratet zu bleiben. Das endlich zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen, war das Einzige, was er tun konnte. Schließlich ging es nicht darum, zu gewinnen, schon gar nicht, wenn es bedeutete, den einzigen Menschen zu verletzen, den man wirklich liebte.
Er hatte Charlotte versprochen, ihr zu helfen, und er würde zu seinem Wort stehen – ab jetzt völlig ohne Erwartungen. Es war sein voller Ernst gewesen, dass er nur ihr Glück wollte. Warum also nicht an einem Strang mit ihr ziehen? Das war allemal besser, als sie beide unglücklich zu machen.
Nach diesem selbstlosen Entschluss fühlte Sean sich schlagartig besser. Er stand auf und ging in die Küche, um Charlottes Becher in den Geschirrspüler zu stellen. Dann holte er seine Aktentasche, legte sich mit dem Vertrag aufs Bett und begann zu lesen.
Schon nach ein paar Minuten fielen ihm die Augen zu. Wider Erwarten schlief er die ganze Nacht durch und fühlte sich am nächsten Morgen erstaunlich ausgeruht und entspannt. Anscheinend war seine noble Entscheidung vom Abend die richtige gewesen.
5. KAPITEL
Um fünf vor acht verließ Charlotte am nächsten Morgen das Gästezimmer und stieg langsam die Treppe hinunter. Ihr graute schon davor, Sean nach ihrem Wortwechsel von letzter Nacht gegenübertreten zu müssen. Trotz der warmen Milch mit Schuss hatte sie nämlich kein Auge zugetan und war jetzt ziemlich gereizter Stimmung.
Warum war sie nicht einfach in ihrem Zimmer geblieben oder zumindest mit ihrem Schlummertrunk dorthin zurückgekehrt? Aber nein, sie hatte sich ja unbedingt auf ihren Lieblingsplatz zurückziehen müssen!
Als sie am Fuß der Treppe ankam, stieg ihr der Duft von frischem Kaffee und gebratenen Würstchen in die Nase. Offensichtlich war Sean schon länger auf den Beinen. Trotz ihrer schlechten Laune war sie ihm dankbar, dass er ein ordentliches Frühstück machte. Wenn sie nur nicht so erbärmlich aussehen würde …
Charlotte warf einen Blick in den ovalen Spiegel im
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