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Nur mit dir sind wir eine Familie

Nur mit dir sind wir eine Familie

Titel: Nur mit dir sind wir eine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Benjamin
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Flur. Obwohl sie ihr Bestes getan hatte, sah sie noch immer schlimm aus. Ihre graue Cordhose und ihr Rollkragenpullover waren in Ordnung, denn sie hatte beides über Nacht aufgehängt. Es war ihr auch einigermaßen gelungen, ihre wilden Locken mit der Bürste aus ihrer Handtasche zu bändigen.
    Doch was das Make-up anging, waren ihre Bemühungen kläglich gescheitert. Sie hatte versucht, sich mit dem blassrosa Lippenstift, den sie dabeihatte, die Wangen zu röten. Doch die Farbe hatte ihre Blässe und ihre dunklen Augenringe nur noch stärker betont.
    Trotzdem hatte es keinen Zweck, noch länger vor dem Spiegel stehen zu bleiben. Im Grunde war es sowieso egal, wie sie aussah. Anstatt sich über solche Nebensächlichkeiten Gedanken zu machen, sollte sie sich lieber darauf konzentrieren, die Wogen zwischen ihr und Sean wieder zu glätten.
    „Hey, ich wollte gerade nachsehen, wo du bleibst“, sagte Sean, der zu Charlottes Überraschung ausgezeichneter Laune zu sein schien. Er war frisch geduscht und rasiert. Er trug einen schwarzen Anzug, ein hellblaues Hemd und ein Paar teure italienische Schuhe. Eine Krawatte hatte er noch nicht angelegt, doch ein paar Handgriffe würden ausreichen, und er wäre ganz der erfolgreiche Geschäftsführer seiner Firma.
    Charlotte hatte ihren Mann schon oft im Anzug gesehen und immer Herzklopfen bekommen, so kultiviert und charismatisch sah er darin aus. Mit seiner guten Laune hätte sie allerdings nicht gerechnet. Offensichtlich hatte er im Gegensatz zu ihr ausgezeichnet geschlafen. „Es ist doch gerade erst acht“, gab sie patzig zurück und zeigte auf die Uhr an der Wand.
    „Stimmt, aber die Würstchen und Eier sind schneller fertig, als ich dachte.“ Lächelnd zeigte Sean auf die Kaffeemaschine. „Bedien dich und setz dich hin. Das Frühstück kommt sofort.“
    Charlotte musste sich beherrschen, ihren Mann nicht mit offenem Mund anzustarren. Auf dem Weg zur Kaffeemaschine warf sie Sean einen misstrauischen Blick zu. Seine gute Laune passte absolut nicht zu seiner Stimmung von vor acht Stunden. Seine Verwandlung von Dr. Jekyll in Mr Hyde – oder war es eher umgekehrt? – verwirrte sie.
    „Möchtest du auch eine Scheibe Toast?“
    Charlotte war so in Gedanken versunken, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, dass Sean inzwischen genau hinter ihr stand. Erschrocken zuckte sie zusammen und verschüttete dabei etwas von ihrem Kaffee. Als er ihr eine Hand auf die Schulter legte, vermutlich um sie zu stützen, hätte sie den Becher vor Schreck fast vollends fallen gelassen.
    „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.
    „Klar“, entgegnete sie gereizt und wischte den vergossenen Kaffee hektisch mit einer Serviette weg.
    „Möchtest du jetzt Toast oder nicht?“
    „Nein … keinen Toast.“
    Ihrem Mann ausweichend, ging sie zur Kücheninsel und setzte sich auf ihren angestammten Platz. Sean hatte den Tisch bereits gedeckt.
    Schwungvoll stellte er einen Teller vor sie hin und ging zur Kaffeemaschine, um sich selbst Kaffee einzuschenken. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“, fragte er. Als er sich zu ihr umdrehte, ertappte er Charlotte dabei, wie sie ihn noch immer argwöhnisch musterte.
    Verlegen senkte sie den Kopf und breitete umständlich die Serviette auf ihrem Schoß aus. Zu ihrem Verdruss spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Sean hatte sie schon immer durchschaut. Ganz egal, wie sie sich fühlte, ob glücklich oder traurig, wütend oder verwirrt – er schien immer zu wissen, was in ihr vorging. In der Vergangenheit hatte sie das als etwas Positives empfunden, aber jetzt war es ihr eher unangenehm.
    „Ganz okay“, antwortete sie ausweichend.
    „Wir haben das Bett im Gästezimmer nie ausprobiert, oder?“, fragte Sean beiläufig. „Ich hoffe doch, es ist einigermaßen bequem?“
    Charlotte hätte sich vor Schreck fast an ihrem Würstchen verschluckt. Das Gästezimmer war tatsächlich einer der wenigen Plätze im Haus, wo Sean und sie sich nicht geliebt hatten. Sogar die Kücheninsel hatten sie zwei Mal zweckentfremdet …
    „Ja, es ist sehr bequem“, antwortete sie, wobei sie sich dazu zwang, Seans Blick möglichst gleichmütig zu erwidern. Was fiel ihm ein, eine so anzügliche Bemerkung zu machen? Hastig richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Frühstück. Sean glücklicherweise auch.
    Für ein paar Minuten aßen sie in halbwegs einträchtigem Schweigen. Erst als sie fertig waren, ergriff Sean wieder das Wort. „Ich dachte, wir sehen

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