Nur mit dir sind wir eine Familie
schlimmsten Fall würden sie eben einen späteren Flieger nehmen, aber das wäre dann Charlottes Schuld, nicht seine.
Seit ihrem Streit in Mayfair vor drei Wochen hatte er sie nur ein Mal kurz gesehen. Am letzten Samstag war sie mit ihrer Freundin Quinn zum Einkaufen nach New Orleans gekommen und hatte bei dieser Gelegenheit schnell zwei Koffer mit Sachen für die Kleine bei ihm vorbeigebracht.
Natürlich hatten sie mehrmals telefoniert, sich dabei jedoch nur höflich über ihre bevorstehende Reise ausgetauscht. Sean war noch immer wütend und verletzt wegen Charlottes Unterstellung, nur nach Mayfair gekommen zu sein, um mit ihr zu schlafen. Schließlich würde er sie nie dazu benutzen, seine körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Dafür bedeutete sie ihm einfach zu viel.
Trotzdem gestand er sich inzwischen ein, dass er in Mayfair sofort mit ihr geschlafen hätte, wenn sie ein bisschen entgegenkommender gewesen wäre. Er liebte und begehrte sie nämlich noch immer, ganz egal, wie sehr er versuchte, dagegen anzukämpfen. Und er war sich ziemlich sicher, dass sie seine Gefühle erwiderte. Ihre leidenschaftlichen Küsse im Stadthaus und bei T-Bone’s waren der beste Beweis dafür.
Doch Charlotte ging es längst nicht mehr nur um ihn. Sie wollte eine Familie – nicht nur Ehefrau, sondern auch Mutter sein, während ihm die Rolle des Ehemanns genügte.
Das Läuten der Türglocke riss ihn so abrupt aus seinen Gedanken, dass er um ein Haar sein Bierglas umgekippt hätte. Sean holte tief Luft, um seine aufgewühlten Nerven zu beruhigen, und warf einen Blick auf die Küchenuhr. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass es noch vor eins war. Ihnen blieb noch genug Zeit, um rechtzeitig am Flughafen anzukommen.
Als er die Tür öffnete, standen Charlotte und Ellen schuldbewusst lächelnd vor ihm.
Trotz des für Februar sehr milden Wetters trug Charlotte Winterkleidung – eine dunkelgraue Cordhose, einen weißen Rollkragenpullover und eine graue Strickjacke. Über ihrem Arm hing ein schwarzer Wollmantel. Offensichtlich wappnete sie sich schon gegen die Kälte, die sie in Kasachstan erwartete. Ellen trug nämlich nur Jeans und ein langärmeliges T-Shirt.
„Ich hoffe, du hast dir keine Sorgen gemacht?“, fragte Charlotte.
„Falls doch, tut es mir leid“, fügte Ellen hinzu. „Es ist meine Schuld, dass wir uns verspätet haben.“
„Halb so wild, wir hätten ja auch einen späteren Flug nehmen können“, beruhigte Sean sie und winkte die beiden Freundinnen ins Haus. „Lag’s am Verkehr?“
„Nein. Eine meiner Kundinnen aus New Orleans hat am Samstag eine alte Kommode bei mir gekauft, und ich hatte die glänzende Idee, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und sie ihr heute zu liefern. Dabei hatte ich leider total vergessen, wie redselig sie ist.“
„Kein Problem“, versicherte Sean ihr. „Wir haben genug Zeit, dass wir frühzeitig am Flughafen ankommen werden. Falls du dringend nach Mayfair zurückmusst, kann ich Charlotte und mir auch ein Taxi bestellen.“
„Ach was, der Flughafen liegt ja fast auf dem Weg. Außerdem habe ich es nicht besonders eilig, in ein leeres Haus zurückzukehren. Ich fahre euch gern hin.“
Sean fiel auf, dass Charlotte während des ganzen Gesprächs noch kein Wort gesagt hatte. Sie sah blass und müde aus. Ob ihr vielleicht Zweifel gekommen waren? Sofort verwarf er den Gedanken wieder. Die kleine Katie zu adoptieren, war das Richtige für sie, davon war er überzeugt.
„Darf ich noch kurz deine Toilette benutzen?“, fragte Ellen, die zu spüren schien, dass Sean vor der Abfahrt zum Flughafen noch ein paar Minuten mit seiner Frau allein sein wollte.
„Klar. Weißt du noch, wo sie ist?“
„Gleich hinter der Küche, oder?“
„Stimmt.“
Sean wartete, bis Ellen durch die Küchentür verschwunden war, bevor er Charlotte zärtlich über die Wange strich. „Wie geht es dir?“, fragte er leise.
Sie begegnete seinem Blick mit großen traurigen Augen. „Gut“, murmelte sie und lächelte gezwungen.
„Du hast doch nicht plötzlich Bedenken wegen der Adoption, oder?“
„Nein … ja …“ Sie seufzte resigniert. „Ach, keine Ahnung.“ Achselzuckend wandte sie den Blick ab. „Vermutlich kann ich einfach noch nicht glauben, dass es tatsächlich passiert, und frage mich deshalb, ob es wirklich richtig ist, was ich tue.“
„Willst du die Kleine adoptieren, Charlotte? Willst du mit ihr zusammenleben, für sie sorgen und sie wie dein eigenes Kind
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