Nur mit dir sind wir eine Familie
die Sicherheitskontrollen passiert hatten, blieb ihnen noch immer genügend Zeit, um vor dem Abflug eine kleine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Also setzten sie sich in eine Bar und bestellten zwei Gläser Bier und zwei Sandwiches.
Sean fiel auf, dass Charlotte seit ihrem Abschied von Ellen ungewöhnlich schweigsam war. Allerdings hatte er selbst keine Ahnung, was er sagen sollte. Er wollte sie nicht noch einmal auf ihre Zweifel ansprechen, was die Adoption anging. Auf Small Talk hatte er aber erst recht keine Lust.
„Seltsam, dass wir hier sitzen und kein Wort miteinander reden, obwohl wir gleich die wichtigste Reise unseres Lebens antreten werden“, murmelte Charlotte, als habe sie seine Gedanken erraten.
Sie hatte ihr Sandwich bisher kaum angerührt, und auch ihr Glas war noch fast voll. Sean musterte sie eindringlich. Sie sah wieder sehr traurig aus. Kein Wunder, dass sie so bedrückt klang.
„Ich habe gerade das Gleiche gedacht.“ Lächelnd berührte er ihre Hand. „Aber da ich in letzter Zeit dazu neige, immer das Falsche zu sagen, hielt ich es für das Beste, zu schweigen.“
„Ging mir genauso.“ Sein Lächeln dankbar erwidernd, nahm Charlotte seine Hand fest in ihre. „Aber einander wie zwei Fremde gegenüberzusitzen, ist noch viel schlimmer.“ Sie zögerte einen Moment. „Wollen wir vielleicht eine Art Pakt schließen? Können wir uns darauf einigen, die Vergangenheit ruhen zu lassen und Diskussionen über die Zukunft zu vermeiden, bis wir wieder zu Hause sind?“
„Kein Problem“, antwortete Sean. Sein Lächeln vertiefte sich.
„Okay, dann lass uns in den nächsten vier Wochen einfach jeden Tag so nehmen, wie er kommt, ganz egal ob er gut oder schlecht läuft. Und dabei Freunde und Partner sein.“
„Sind wir das denn nicht bereits?“ Sean drücke Charlottes Hand.
„Ich glaube schon.“ Sie erwiderte seinen Händedruck. „Dann also abgemacht? Wir werden von jetzt an weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft reden und einfach Spaß haben?“
„Ja, abgemacht.“
Sie lächelten, als sie sich wie zwei Verschwörer die Hände schüttelten.
Erleichtert lehnte Sean sich auf seinem Stuhl zurück.
„Sieh mal das Paar an der Bar dort“, sagte Charlotte und wies mit dem Kinn auf die beiden. „Sind die verheiratet, oder treffen sie sich hier nur zu einem Rendezvous?“
Bereitwillig ließ sich Sean auf das Ratespiel ein, mit dem sie sich auf Reisen schon häufig die Zeit vertrieben hatten. Er drehte sich zu dem Mann und der Frau um. „Eindeutig nicht verheiratet“, antwortete er und freute sich über das vergnügte Funkeln in den Augen seiner Frau. „Die beiden sind zu gut angezogen und haben für ein lange verheiratetes Paar zu viel Spaß miteinander.“
„Ach, ich weiß nicht. Wir sind doch auch gut angezogen und haben Spaß“, wandte Charlotte ein.
„Aber wir tragen Eheringe, und sie nicht“, erklärte Sean und hob wie zum Beweis die linke Hand.
Charlotte zuckte erschrocken zusammen. Sean befürchtete schon, etwas Falsches gesagt zu haben, doch dann senkte sie lächelnd den Blick zu ihrer linken Hand, an der ihr Verlobungs- und Ehering steckten. „Du hast recht“, murmelte sie und sah ihn an. „Okay, jetzt bist du dran.“
„Der Mann mit der schwarzen Lederjacke, der zerrissenen Jeans, den italienischen Designerschuhen und dem Dreitagebart neben der Tür?“
„Hm … Drogenkurier oder Firmenspion“, mutmaßte Charlotte.
Als sie schließlich im Flieger saßen, waren die unterschwelligen Spannungen zwischen ihnen verschwunden. Sie waren gute Freunde, unterhielten sich lebhaft, lachten miteinander und genossen den Augenblick – so wie sie es sich vorgenommen hatten.
Sean war unglaublich erleichtert. Jetzt, wo sie endlich wieder ein Team waren, würden sie das bedeutsame Ereignis, das vor ihnen lag, schon bewältigen, davon war er felsenfest überzeugt. Ebenso wie sie bisher alles geschafft hatten.
Nach dem Abendessen klappte er die Armlehne zwischen den Sitzen hoch, legte einen Arm um ihre Schultern und zog Charlotte an sich. Zufrieden seufzend kuschelte sie sich an ihn. Als er kurz darauf ihre tiefen und gleichmäßigen Atemzüge hörte, wusste er, dass sie eingeschlafen war. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte er einen tiefen inneren Frieden. Nach mehr als sechs Monaten schliefen sie wieder Seite an Seite.
Als sie Stunden später aufwachten, schien die Sonne durch die Rollos vor dem Fenster, und die Stewardessen boten Kaffee, Orangensaft,
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