Nur mit dir sind wir eine Familie
strampelte mit den Beinchen. Und sie verbarg bei Seans Anblick das Gesicht an Charlottes Schulter.
„Ich würde sie dir ja gern abnehmen, aber ich scheine heute nicht ihr Liebling zu sein“, sagte Sean betont locker, wodurch er aber erst recht verkrampft klang.
„Ich glaube, heute ist niemand ihr Liebling. Wahrscheinlich war der Besuch von Ellen und Quinn gestern Abend zu viel für sie“, sagte Charlotte. „Aber keine Sorge. Ich komme auch allein mit ihr zurecht. Schließlich darf dein Hemd nicht schmutzig werden.“ An Katie gerichtet fügte sie hinzu: „Willst du in deinen Hochstuhl, großes Mädchen?“
Als Charlotte versuchte, ihre Tochter hinzusetzen, stimmte diese ein lautes Protestgeschrei an. „Okay. Dann setz dich einfach auf meinen Schoß, während ich meine Waffel esse.“
„Ich kann sie doch nehmen, Charlotte …“
„Nicht nötig, wirklich nicht. Du bist schließlich gerade auf dem Sprung, oder?“ Charlotte wich Seans Blick aus, stach mit der Gabel ein kleines Stück von ihrer Waffel ab und führte es zum Mund. Mitten in der Bewegung hielt sie inne, runzelte die Stirn und legte die Gabel schließlich wieder auf den Teller.
„Ich muss zurück nach New Orleans“, erklärte Sean. „Ich war seit vier Wochen nicht mehr da. Wie du weißt, habe ich eine Firma zu leiten“, fügte er zu seiner Verteidigung hinzu. „Ich habe mir daher einen Wagen bestellt. In der Firma gibt es eine Menge zu tun, daher weiß ich nicht, wann …“
„… du wieder zu Hause sein kannst?“, schnitt Charlotte ihm das Wort ab. „Du weißt, dass das nicht stimmt, Sean. Du hast deine Firma schon vor Jahren umstrukturiert, damit du so viel Zeit in Mayfair verbringen kannst, wie du möchtest. Wenn es irgendeinen Notfall gäbe, hätte Elizabeth dich längst angerufen. Also erspar uns doch bitte das Theater und sei ehrlich mit mir – du fährst weg, weil du wegfahren willst .“
Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, bevor sie sich mit Katie auf dem Arm von ihm abwandte und zum Mülleimer ging, um ihre Waffel wegzuwerfen.
In diesem Augenblick hatte Sean eine Art Déjà-vu-Erlebnis. Plötzlich sah er seine Mutter vor sich, wie sie vor dreißig Jahren in derselben Küche stand und zu seinem Vater sagte: Gib es doch endlich zu … du fährst weg, weil du wegfahren willst …
Auf einmal fiel ihm auch wieder ein, dass seine Mutter seinen Vater oft gebeten hatte zu bleiben, er jedoch immer neue Ausreden erfunden hatte, um sich davonmachen zu können. Und Sean erinnerte sich, dass seine Mutter sich verletzt von seinem Vater abgewandt hatte, ihre Gefühle jedoch genauso zu verbergen versuchte wie Charlotte in diesem Moment.
Vielleicht hatte seine Mutter seinen Vater ja gar nicht absichtlich aus ihrem Leben ausgeschlossen. Möglicherweise hatte er wirklich so viel arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und dann hatte sie sich irgendwann so daran gewöhnt, allein zurechtzukommen, dass sie ihren Mann zunächst nicht mehr brauchte und schließlich nicht mehr wollte.
Er durfte nicht zulassen, dass die Geschichte seiner Eltern sich bei ihm wiederholte. Zumal Charlotte völlig recht damit hatte, dass er nicht zwangsläufig nach New Orleans zurückkehren musste. Er hatte sich schon vor einiger Zeit ein Büro in Mayfair eingerichtet, um von dort aus arbeiten zu können. Natürlich musste er zwei oder vielleicht drei Mal in der Woche in die Stadt fahren, um Kunden oder seinen Steuerberater zu treffen, aber das war heute nicht der Fall.
„Ehrlich gesagt wollte ich weg, weil ich dachte, ich müsste gehen“, gestand Sean leise und ging auf Charlotte und seine Tochter zu.
Katie warf ihm einen missbilligenden Blick zu, als er Charlotte am Arm berührte. Unwillkürlich musste er lächeln. „Aber gerade eben wurde mir bewusst, dass meine Wahrnehmung völlig falsch war. Das hier ist mein Zuhause und du und Katie seid meine Familie. Ich möchte nirgendwo anders sein als bei euch … vorausgesetzt, ich bin hier willkommen.“
„Oh Sean, hast du denn noch immer nicht verstanden, dass du einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen hast?“, fragte Charlotte und sah ihn liebevoll an. „Ich wollte immer Mutter werden, aber nie unter der Bedingung, dich dadurch zu verlieren! Im Gegenteil, mir ist bewusst geworden, dass ich in den letzten Wochen nicht deshalb eine gute Mutter wurde, weil ich dafür geschaffen bin, sondern weil du mir gezeigt hast, wie das geht. Du bist ein fantastischer Vater, Sean und ein
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