Nur nicht aus Liebe weinen
aufzuwecken.
Sicher hat er darin schon einige Erfahrungen sammeln können, dachte sie und schob den unliebsamen Gedanken gleich wieder beiseite.
Der beiläufige Blick auf den Wecker ließ sie vor Entsetzen erstarren. Es war fast zehn Uhr. Schon vor Stunden hätte sie bei der Arbeit sein müssen!
Eilig warf sie die Decke zurück und wollte gerade aus dem Bett springen, als ein kleines weißes Blatt auf den Boden segelte.
Sie erkannte sofort Daniels Handschrift.
Guten Morgen, Darling. Du hast heute frei. Ich habe mit deiner Chefin gesprochen. Leider konnte ich meinen Termin nicht verschieben, aber ab heute Mittag stehe ich zu deiner Verfügung. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen und würde dich gern zum Mittagessen ins Savoy einladen. Halb eins.
Unterschrieben hatte er nur mit seinen Initialen.
Ein etwas zurückhaltender Liebesbrief, dachte Laine enttäuscht. Oder vielleicht sollte es gar kein Liebesbrief sein?
Vorsichtig faltete sie das Papier. Er hatte mit keinem Satz von Liebe gesprochen. Noch nicht einmal in der vergangenen Nacht, im Bann der Leidenschaft.
Womöglich wollte er nur höflich sein.
In ihr herrschte ein schreckliches Gefühlschaos.
Und noch eine weitere Frage quälte sie: Was in aller Welt trug man zu einer Verabredung im Savoy ? Ihre schönste Unterwäsche war ein Anfang, aber noch nicht die Lösung. Schließlich fand sie, ganz hinten in ihrem Schrank versteckt, das gelbe Sommerkleid. Zuletzt hatte sie es am Tage ihrer Hochzeit getragen. Aber vielleicht würde es ihr diesmal mehr Glück bringen …
Um auf jeden Fall pünktlich zu sein, nahm sie gleich den nächsten Bus. Während der Fahrt grübelte sie unaufhörlich über den Grund für ihre Verabredung nach. Was wollte Daniel ihr mitteilen? Warum machte er es so förmlich?
Als sie gedankenverloren vor einem Schaufenster stehen blieb, rempelte sie plötzlich jemand an. Laine murmelte beiläufig ein paar entschuldigende Worte. Doch eine bekannte Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Laine? Laine Sinclair?“
Entsetzt blickte Laine auf und stand vor Belinda. „Was für ein schöner Zufall. Hast du einen Augenblick Zeit? Ich wollte gerade etwas trinken gehen.“
Laine konnte sich schlecht gegen eine so freundliche Einladung wehren. Außerdem hatte sie bis zu dem Treffen mit Daniel noch viel Zeit. Ergeben folgte sie daher Belinda in das nächstgelegene Café.
Nachdem sie die Getränke bestellt hatten, holte Belinda tief Luft und begann dann, in ungeheurem Tempo zu reden. „Also, weißt du, Laine, so langsam kann ich keinen Kräutertee mehr sehen, aber zum Glück sind es ja nur noch ein paar Monate.“ Sie zögerte kurz, fuhr dann aber fort: „Laine, ich weiß, wir kennen uns kaum, aber ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Weißt du, ich kann es einfach nicht für mich behalten. Ich bin nämlich schwanger.“
Zwar redete Belinda unablässig weiter, doch Laine hörte nur noch ein durchdringendes Rauschen in ihrem Kopf. Wie ein dumpfer Schlag traf sie diese Nachricht.
Irgendetwas in ihr brachte ein paar Worte hervor. „Ich gratuliere, Belinda. Wie schön.“
„Ja, das ist es. Zwar völlig ungeplant, aber so wahnsinnig aufregend.“
Daniels Zeilen flackerten vor Laines Augen. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.
Oh nein, bitte nicht …, dachte Laine verzweifelt.
Sie rang nach Worten, während sie unwillkürlich nach dem Ehering an Belindas Hand Ausschau hielt. Doch es gab keinen.
„Dein … Freund ist bestimmt auch überglücklich?“ Laine bemühte sich, höflich zu klingen.
„Na ja, zuerst hat er nicht so reagiert, wie ich es mir erträumt hatte. Aber es kam ja auch für uns beide sehr überraschend. Aber inzwischen freut er sich ungemein, Vater zu werden. Also habe ich ihm noch einmal verziehen. Meinst du nicht auch, er wird einfach ein toller Vater sein?“
„Ja, natürlich“, antwortete Laine scheinbar gelassen. In ihrem Innern tobte jedoch der Sturm der Verzweifelung. Ihr Magen rebellierte, und ihr ganzer Körper brannte vor Schmerz. Der Gedanke, dass Daniel und Belinda ein Kind zusammen erwarteten, brachte sie beinahe um.
Am allerschlimmsten aber war die Erinnerung an die letzte Nacht. Warum hatte Daniel sie geliebt? War es etwa ein Abschied gewesen und kein Neuanfang? Weil er bereits wusste, welch trauriges Schicksal Laine bevorstand? Immerhin hatte er ihr keine Liebe vorgetäuscht …
Belinda redete noch immer fröhlich vor sich hin. „Würdest du schon vor der Geburt wissen wollen, ob es ein Mädchen oder
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