Nur wenn du mich hältst (German Edition)
gewinnt.“
AJ versank in Schweigen. Der dünne Faden der Unterhaltung brach ab. Bo hoffte, dass er das Wort ergreifen, sich erklären würde, ohne dass er nachfragen müsste, doch ganz offensichtlich hatte der Junge das nicht vor. Nach einer Weile fragte er: „Warum hast du das getan, AJ? Warum bist du einfach so abgehauen?“
Stille.
„Ich höre dich nicht.“ Er versuchte, sich seine leichte Gereiztheit nicht anmerken zu lassen. „Sprich mit mir. Ich will dich verstehen.“
„Ich wollte jemanden finden, der mir helfen kann, wieder mit meiner Mom zusammen zu sein.“
„Das möchte ich auch für dich, AJ. Aber die Schule zu schwänzen und in den nächstbesten Zug zu steigen ist nicht der richtige Weg. Mein Gott, wie bist du nur auf die Idee gekommen?“
„Weil hier nichts passiert.“ Seine Stimme war leise und zittrig.
Bo hielt in einer Ladezone an und wandte sich ihm zu. „Hör mal, es gibt Menschen, die würden nichts lieber tun, als deine Mom südlich über die Grenze zu schicken und für immer aus den USA auszuweisen. Sie werden jede Entschuldigung dafür nutzen. Wenn du zum Ausreißer wirst, werden sie argumentieren, du wärst ein jugendlicher Krimineller und sagen: ‚Wieso sollten wir einer Frau, die einen Verbrecher großgezogen hat, erlauben, hierzubleiben?‘“
„Willst du behaupten, jedes Mal, wenn ein Kind etwas Schlimmes tut, haben sie das Recht, seine Mutter abzuschieben?“
„Nein, nicht wenn die Mutter US-amerikanische Staatsbürgerin ist. Dann müssen wir sie hierbehalten. Ich habe das System nicht erfunden, doch wir müssen uns ihm fügen.“
„Das System funktioniert aber nicht. Meine Mom hat nichts falsch gemacht. Sie ist jeden Tag zur Arbeit gegangen. Sie arbeitet härter als alle, die ich kenne. Sie hat ihre Steuern bezahlt. Das weiß ich, weil sie es mir mal gezeigt hat.“
„Sie ist ein guter Mensch“, bestätigte Bo. „Das wissen wir. Sie hat das, was ihr passiert ist, nicht verdient. Deshalb arbeiten wir ja auch so hart daran, ihr zu helfen. Nur weil du keine Fortschritte siehst, heißt das nicht, dass nichts geschieht. Von mir wegzulaufen ist vermutlich das Schlimmste, was du im Moment tun kannst.“
Der Junge zeigte eiserne Kontrolle über seine Gefühle. Er kniff leicht die Augen zusammen und sah ihn an. „Ich kann mir Schlimmeres vorstellen.“
Bo atmete tief durch und packte das Lenkrad fester. „Ich weiß, dass dir das mit deiner Mom schwer zu schaffen macht. Aber was willst du tun? Du kannst verrückte Dinge anstellen, wie die Schule zu schwänzen und mit dem Zug in die Stadt zu fahren, womit du genau gar nichts erreichst, außer den Behörden zu zeigen, dass du jemand bist, der Schwierigkeiten macht. Oder du versuchst, das Beste aus einer schlimmen Situation zu machen.“
„Du hast leicht reden.“
Die Panik, die ihn vorhin ergriffen hatte, verwandelte sich in Eiskristalle. „Meinst du? Tja, da irrst du dich. Und wenn du glaubst, für mich wäre die Situation einfacher, dann nur zu, rede dir das weiter ein. Vergiss nur nicht, ich bin der letzte Mensch auf Erden, vor dem du davonlaufen solltest. Ich bin der Einzige, der daran arbeitet, deine Mom zurückzuholen. Niemand ist dazu entschlossener als ich.“
„Klar, damit du auch abhauen kannst. Das ist doch nur, was dich interessiert.“
„Das ist rein geschäftlich“, erklärte Bo. „Das gehört zu meinem Job, und ich muss es tun. Und zur Schule zu gehen ist dein Job.“
Wieder folgte Schweigen. Inzwischen war es dunkel. Im schwindenden Licht sah Bo Tränen in AJs Augen aufblitzen. Den Schmerz des Jungen zu sehen war, als würde jemand ein Messer in seiner Brust herumdrehen. Erst hatte er seine Mutter verloren und nun hatte er ebenfalls vor, ihn zu verlassen.
Oder auch nicht.
Er startete den Motor und fädelte sich wieder in den Verkehr. „Hör mal, vielleicht habe ich mich geirrt AJ. Du darfst nicht vergessen, dass das für mich alles genauso neu ist. Ich war noch nie für einen anderen Menschen verantwortlich. Ich muss nicht nach Virginia. Ich werde versuchen, das Ganze anders zu lösen.“
„Du hast gesagt, es wäre dein Job.“
„Du bist auch mein Job.“
„Ich habe nicht darum gebeten.“
„Tja, nun ist es aber so. Ich bringe dich jetzt nach Hause. Und komm mir nicht damit, dass Avalon nicht dein Zuhause ist, denn im Moment ist es genau das.“
16. KAPITEL
„Du bist verrückt!“ Bagwell schrie förmlich. „Bo, das steht in deinem Vertrag. Du musst auf die ‚Schule des
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