Nur Wenn Du Mich Liebst
mit zwei erwachsenen Söhnen und seit kurzem Großvater. Ich gehe mit einem Opa aus, dachte Barbara manchmal und genoss die unerwartete Rolle der jüngeren Frau, obwohl sie in Wahrheit nur acht Jahre trennten.
Anfangs verglich Barbara Howard Kerble ständig mit ihrem Exmann. Howard war groß, aber nicht so groß wie Ron, dafür kompakter. Sein Haar war dünner als Rons, grauer meliert. Seine Augen waren blau im Gegensatz zu Rons braunen, seine Finger waren länger, seine Hände kleiner. Und auch wenn Ron zugegebenermaßen der Attraktivere der beiden war, wirkte Howard auf jeden Fall distinguierter, unaufgeregter, zugänglicher. Er war genauso intelligent wie Ron, jedoch weniger erpicht darauf, es allen zu zeigen. Er sprach nie über seine Arbeit – er war in der Versicherungsbranche tätig –, während Gespräche mit Ron sich immer um seine Lehrtätigkeit gedreht hatten. Anders als Ron gab Howard Barbara nie das Gefühl, dumm zu sein. Howard gab ihr das Gefühl, geschätzt zu werden, während Ron ihr immer vermittelt hatte, dass sie unzulänglich war.
»Möchtest du meine Wohnung sehen?«, fragte Howard sie jetzt. Sie saßen in seiner schwarzen Lincoln-Limousine vor dem neuen modernen Apartmentkomplex am Mehring Way.
»Ich würde gern, aber...« Aber was? Aber es ist schon fast elf und ich sollte lieber nach Hause gehen? Aber es war ein so wundervoller Abend, den ich nicht verderben möchte? Aber ich war seit jener schrecklichen Marathonübung mit Kevin nicht mehr mit einem Mann zusammen, ich habe nicht einmal jemanden geküsst...? Seit Chris, dachte Barbara erschreckt.
»Du bist schön«, hatte Chris in jener Nacht geflüstert. »Ich habe dich so vermisst.«
»Ich habe
dich
vermisst.«
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
Dann der Kuss, gefolgt von dem Geräusch, das sie auseinander gerissen, in verschiedene Richtungen davoneilen lassen und in verlegenem Schweigen wieder zusammengeführt hatte.
»Wegen dem, was vorhin passiert ist...«, hatte Chris hinterher versucht zu erklären.
»Ich verstehe schon«, hatte Barbara ihr erklärt.
»Wirklich? Ich weiß nämlich nicht, ob ich es verstehe.«
»Können wir morgen früh darüber reden?«
Nur dass sie das nie getan hatten. Ihr Kuss war wie ein Traum, dessen Fetzen einem nachhingen und drängten, nach tieferer Bedeutung zu fragen, verschwanden, wieder auftauchten und sich schließlich in Luft auflösten, weil keine der beiden Frauen sich einen Reim darauf machen konnte und beide zu viel Angst hatten, es zu versuchen. So war das, was zwischen ihnen geschehen war, nie besprochen und mit keiner weiteren Silbe erwähnt worden. Sie waren wieder in ihren Alltag eingetaucht, in ihre Rollen als beste Freundinnen, und Barbara hatte schließlich entschieden, dass es der Ausdruck zweier einsamer und verletzlicher Frauen an einem besonders einsamen und verletzlichen Punkt ihres Lebens gewesen war. Mehr nicht.
Denn auch wenn sie sich oft wünschte, dass es nicht so wäre, mochte Barbara Männer – ihre schiere Massigkeit, ihre Körper, ihre mühelose Kraft, ihre raue Haut und ihren Geruch. Es war schon viel zu lange her, entschied sie jetzt, alle Vorsicht in den Wind schreibend, und lächelte Howard an. »Ich würde sehr gern deine Wohnung sehen«, sagte sie.
Die Zweizimmerwohnung war so schön, wie sie es erwartet hatte. Schlicht, aber nicht übertrieben männlich. Fenster vom Boden bis zur Decke, Holzfußboden, weiche Ledermöbel, bunte Teppiche und einen spektakulären Blick auf den Ohio River.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Howard.
Barbara schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher, ob ich das kann«, flüsterte sie.
Er fragte sie nicht, was sie meinte. »Soll ich dich nach Hause bringen?«, bot er ihr stattdessen an.
»Nein. Ich will nicht nach Hause.«
»Was möchtest du denn? Ich tue, was immer du willst.«
»Das ist vielleicht das Netteste, was je irgendwer zu mir gesagt hat«, erwiderte Barbara, und sie lachten beide.
»Wie wär's damit, dass ich glaube, dass ich vielleicht dabei bin, mich in dich zu verlieben?«
Barbara schossen die Tränen in die Augen. »Das ist auch ziemlich nett.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Du hast mir dein Schlafzimmer noch nicht gezeigt.«
Kurz darauf standen sie neben seinem großen Doppelbett, und er zog mit ruhigen Händen den Reißverschluss ihres Kleides auf. »Es ist eine Weile her«, warnte sie ihn. »Ich bin mir nicht einmal sicher, dass ich mich noch daran erinnere, was man machen
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