Nur Wenn Du Mich Liebst
Verfall des eigenen Körpers genau zu erkennen.
»Was ist mit Kirsten?« Barbara stellte sich Vickis hübsche Tochter mit dem flammend roten Haar vor, ebenso beliebt wie intelligent und schon jetzt fest entschlossen, eine erfolgreiche Juristin zu werden.
Der ungläubige Blick auf Traceys Gesicht sagte alles. Bloß weil du mit ihrer Mutter befreundet bist, muss ich nicht auch mit ihrer Tochter befreundet sein.
Da hat sie vermutlich Recht, dachte Barbara traurig, setzte sich neben ihre Tochter aufs Bett und legte einen Arm um sie. Sofort vergrub Tracey ihren Kopf am Hals ihrer Mutter. Barbara war immer davon ausgegangen, dass ihre Kinder ebenso enge Freundinnen werden müssten wie die Mütter. Sie kannten sich schließlich fast ein Leben lang. Aber die Mädchen pflegten nicht einmal einen lockeren Kontakt, was vielleicht so überraschend auch wieder nicht war, wenn man bedachte, wie verschieden sie waren.
Chris' Tochter Montana musste man in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnen. Seit mehr als einem Jahr hatte niemand das Mädchen gesehen. Die arme Chris, dachte Barbara traurig.
War es wirklich schon eineinhalb Jahre her, seit Chris in jener bitterkalten Dezembernacht vor ihrer Tür gestanden hatte? Eineinhalb Jahre, seit sie zusammen auf diesem Bett gesessen und einen vollkommen unerwarteten Kuss getauscht hatten?
Barbara strich mit den Fingern über ihre Lippen und spürte den Geist von Chris' sanfter Berührung. Doch dies war nicht der Zeitpunkt, um solchen Gedanken nachzuhängen. In weniger als zehn Minuten würde Howard hier sein. Sie musste sich fertig machen. »Was für Ohrringe soll ich tragen?«
Tracey zuckte gleichgültig die Achseln, schlurfte aus dem Zimmer und trampelte die Treppe hinunter in die Küche. Barbara runzelte die Stirn, als sie ihre Tochter den Kühlschrank durchwühlen hörte. »Lass die Finger von dem Eis«, rief sie und eilte ins Bad, um ihr Haar zu toupieren und ihre Kontaktlinsen einzusetzen.
Um punkt sieben Uhr klingelte es, und Barbara schwebte die Treppe hinab, um den neuen Mann in ihrem Leben zu begrüßen. »Es wird bestimmt nicht spät«, versicherte sie Tracey und drückte ihrer Tochter auf dem Weg nach draußen einen Kuss auf die Stirn.
Tracey kniff vorwurfsvoll die Augen zusammen. »Sind das neue Schuhe?«
Barbara hatte Howard vor einem halben Jahr kennen gelernt, als sie sich im Bürgerzentrum von Mariemont in derselben Straße wie die teure Boutique, in der sie seit fast einem Jahr arbeitete, für ein Politikseminar angemeldet hatte. Eigentlich hatte sie nicht die geringste Lust dazu gehabt – kümmerte es sie wirklich, dass der Irak das Ultimatum vom 15. Januar zum Rückzug aus Kuwait ignoriert hatte, sodass die Alliierten, darunter die Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Japan, Italien und Pakistan sowie sämtliche Mitglieder der Arabischen Liga, als Gegenschlag einen sechswöchigen Luftkrieg begonnen hatten? Oder dass die Sowjets die Freiheitsbewegungen in den baltischen Republiken unterdrückten? Aber sie betrachtete es als notwendigen Teil ihres Plans, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Welche Wahl hatte Ron ihr gelassen?
Und wenn Chris es trotz Tonys wiederholten Drohungen und permanenten Belästigungen schaffte, dann konnte sie es auch schaffen. Es war das Allermindeste, was sie tun konnte.
Nach mehreren Wochen hatte Barbara überrascht festgestellt, dass sie sich tatsächlich dafür interessierte, was im Nahen Osten und der Sowjetunion vor sich ging, dass die Not der somalischen und südafrikanischen Bevölkerung sie ernsthaft beschäftigte. Sie entdeckte, dass es jenseits der Grand Avenue noch eine Welt gab, und genoss es, etwas darüber zu wissen und mit Susan, Vicki und Chris über wichtige aktuelle Themen zu diskutieren.
Sie hatte gar nicht nach einem Mann gesucht. Howard Kerble hatte sie sogar erst in der letzten Sitzung bemerkt, als er seine mit zahlreichen Unterstreichungen versehene Zeitung fallen gelassen und beim Aufheben seinen Kaffee darüber gekippt hatte. »Probleme«, hatte Barbara ihn gefragt, als sie ihm half, das Chaos zu beseitigen.
»Haufenweise«, hatte er erwidert und einfältig gegrinst. »Und das ist nur
eins
davon.«
Barbara hatte laut gelacht, mit dem ganzen Gesicht, das erste Mal seit Jahren. Und ehe sie sich versah, tranken Howard und sie nach dem Seminar einen Kaffee zusammen, trafen sich in der folgenden Woche zum Mittagessen und noch eine Woche später zum Abendessen.
Howard Kerble war ein Witwer
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