Nur Wenn Du Mich Liebst
bloß weil...« Bloß weil deine Geschichte voller Widersprüche ist, hätte sie beinahe gesagt.
»Er wird nicht ungeschoren davonkommen«, erklärte Tracey mit verblüffender Gewissheit. »Kommt sie vorbei?«
»Wer?«
»Montana. Kommt sie vorbei?«
»Nein.«
»Schade. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen.«
Susan nickte, beinahe ängstlich, etwas zu sagen. Sie war es gewöhnt, dass Teenager sprunghaft waren, aber so etwas hatte sie noch nie erlebt. Vielleicht hatte der Schock über den gewaltsamen Tod ihrer Mutter in Traceys Kopf ein paar Schrauben gelockert. Sie dachte ganz offensichtlich nicht klar. Vielleicht erwartete sie auch zu viel von dem Mädchen.
Aber was erwartete sie eigentlich?
Im Grunde hatte sie lediglich angenommen, dass Tracey von Trauer dermaßen überwältigt sein würde, dass sie nur mit Mühe das Bett verlassen konnte. Stattdessen stand sie nach ein paar Stunden Schlaf frisch geduscht und geschniegelt mit einem Mordshunger vor ihr. Sie weinte fast gar nicht. Es war beinahe so, als müsse man sie daran erinnern. Und selbst dann trockneten ihre Augen beunruhigend schnell wieder. Als ob sie nicht ganz da ist, dachte Susan und fragte sich, ob sie schon immer so gewesen war. Ariel und Whitney schienen das jedenfalls zu denken. Warum war ihr das vorher nie aufgefallen?
»Ich gehe jetzt, glaube ich, wieder nach oben, wenn das okay ist«, sagte Tracey.
»Klar.« Wahrscheinlich krabbelt sie zurück in ihr Bett, dachte Susan. Sie begreift erst nach und nach, was geschehen ist. Das volle Ausmaß des Grauens sickert erst langsam durch.
»Darf ich Fernsehen gucken?«
»Was? Oh. Selbstverständlich.«
Tracey deponierte den Teller mit den Sandwichs ordentlich wieder im Kühlschrank, stellte ihr leeres Glas ins Waschbecken und schlenderte aus dem Zimmer. Als Susan kurz darauf ihre Schritte auf der Treppe hörte, griff sie zum Telefon.
»Vicki«, sagte sie, sobald sie die Stimme ihrer Freundin hörte. »Könntest du später vorbeikommen? Ich glaube, wir haben möglicherweise ein Problem.«
28
Es war beinahe sechs, als Vicki bei Susan eintraf. Leicht entsetzt registrierte sie, dass Susan immer noch die Sachen anhatte, die sie in Barbaras Haus getragen hatte. Die kastanienbraunen Flecken auf ihrem weißen T-Shirt sahen aus wie getrocknetes Blut.
»Tut mir Leid, dass ich es nicht früher geschafft hatte«, entschuldigte Vicki sich, nahm den von Susan angebotenen Becher Kaffee entgegen, setzte sich ohne Umstände an den Küchentisch und sah sich um. »Komisch, dass wir immer in der Küche landen, nicht?«
»Wir können auch ins Wohnzimmer gehen...«
»Nein. Mir gefällt es hier. Wo ist Tracey?«
Susan wandte den Blick zur Decke.
»Sie schläft?«
»Sie sieht fern.«
Vicki trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Seltsames Mädchen.«
»Das kann man wohl sagen.«
»Ist das Teil des Problems, das du am Telefon erwähnt hast?«
Susan setzte sich zu Vicki an den Tisch und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Wahrscheinlich bin ich bloß ein bisschen paranoid...«
»Aber es passt alles nicht richtig zusammen?«
»Ihre Reaktionen wirken so total daneben. Ich sage mir immer wieder, dass sie unter Schock steht, aber...«
»Du glaubst, dass mehr dahinter steckt?«
»Wenn die Polizei vielleicht erst mal ein Geständnis von Tony hat...«
»Die Polizei hat Tony freigelassen.« Vicki beobachtete die Überraschung in Susans Gesicht, die die letzten Reste von Farbe aus ihren Wangen weichen ließ, als hätte man ihren Kopf gebleicht.
»Was!«
»Sie haben nicht genug Beweise, um ihn festzuhalten.«
»Das verstehe ich nicht.«
Vicki bemerkte, dass Susans Hände zitterten, und nahm sie in ihre eigenen. »Tony behauptet, er wäre die ganze Nacht zu Hause gewesen. Seine Kinder bestätigen das.«
»Natürlich bestätigen sie das.«
»Offenbar hat Rowdy eine schwere Erkältung und mit seinem Gehuste alle die ganze Nacht wach gehalten. Montana schwört, dass ihr Vater zu der Zeit, in der Barbaras Schädel eingeschlagen wurde, Rowdy seinen Hustensaft gegeben hat. Verzeih meine unverblümte Ausdrucksweise«, sagte Vicki, als sie Susans entsetzte Miene sah.
»Und damit hat sich die Polizei zufrieden gegeben?«
»Damit und der Tatsache, dass es keinerlei Indizien gibt, die Tony mit dem Mord in Verbindung bringen. Keine Waffe, keine Skimaske...«
»Er könnte sie weggeworfen haben.«
»Kein Blut. Keine Haut-, Knochen- oder Haarpartikel an seiner Kleidung.«
»Oh Gott.«
»Die Spurensicherung hat
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