Nur Wenn Du Mich Liebst
wissen.«
Ariel nickte wortlos.
»Bitte«, fragte Susan, das Herz voller Zärtlichkeit für ihre Tochter, wie sie sie lange nicht mehr empfunden hatte. »Darf ich dich in den Arm nehmen?«
Ariel ließ sich in die Arme ihrer Mutter sinken, und etliche Minuten lang wiegten sie einander sanft hin und her. Ariel weinte leise an der Schulter ihrer Mutter, und Susan spürte die Tränen an ihrem Hals. »Im Radio haben sie gesagt, dass Barbara erschlagen worden ist.«
Susan nickte und versuchte, die Erinnerung an ihre Freundin auf dem Schlafzimmerfußboden, das ehemals schöne Gesicht blutverschmiert und unkenntlich, zu verdrängen, obwohl sie wusste, dass sie dieses Bild wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens mit sich herumtragen würde. Wer immer Barbara das angetan hatte, musste sie maßlos gehasst haben.
»Warum braucht die Polizei so lange, um Tony zu finden?«, fragte Ariel, als könnte sie die Gedanken ihrer Mutter lesen.
»Ich weiß es nicht.«
»Hast du irgendwas von Chris gehört?«
»Nein.« Mein Gott, wenn Tony Barbara das angetan hatte, was würde er erst mit Chris machen? Ein neuer Tränenschwall strömte über Susans Wangen.
»Oh Gott, tut mir Leid. Ich mache auch alles falsch. Ich hätte bei Molly bleiben sollen.«
»Nein, Schätzchen...« Susan tätschelte ihrer Tochter den Kopf und stellte überrascht fest, wie weich die stacheligen Strähnen waren.
»Wer ist Molly?«, unterbrach eine Stimme sie.
Sofort löste Ariel sich aus der Umarmung ihrer Mutter. Susan drehte sich um und sah Tracey in der Küchentür stehen. Sie trug eine adrette weiße Bluse und einen dunkelblau karierten Rock, ihr dunkles Haar war frisch gewaschen und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Susan strich ihr eigenes ungekämmtes Haar hinter die Ohren und strich die Falten in ihrem T-Shirt und den Shorts glatt, die sie seit dem frühen Morgen trug.
»Wer ist Molly?«, fragte Tracey noch einmal und setzte sich an den Küchentisch.
Ariel zuckte die Achseln und setzte sich zu ihr. »Ein Mädchen, das ich im Tätowierungsstudio getroffen habe.«
»Ich finde Tätowierungen eklig.« Tracey blickte zu Susan, als erwarte sie ein bestätigendes Nicken. »Könnte ich vielleicht ein Glas Milch haben, wenn es keine Umstände macht?«
Susan verrieb die Tränen aus ihren Augenwinkeln auf den Wangen. »Was? Oh, selbstverständlich.« Sie goss Tracey ein Glas Milch ein. »Du musst doch Hunger haben. Soll ich dir was zu essen machen?« Beim bloßen Gedanken an Essen wurde Susan schlecht, und sie nahm an, dass es Tracey ähnlich ging. Doch es war wichtig, dass sie bei Kräften blieb.
»Ich hätte gern ein paar von diesen kleinen Sandwichs«, sagte Tracey. »Wie Sie sie nach der Beerdigung Ihrer Mutter serviert haben. Haben Sie davon noch welche übrig?«
Susan bemühte sich, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Tracey war schließlich ein Teenager mit einem normalen Teenagerappetit, der offenbar stärker war als die Tragödie. Vielleicht war Essen auch Traceys Art, mit den entsetzlichen Geschehnissen fertig zu werden. Sie durfte keine vorschnellen Urteile fällen. Den Schmerz eines anderen Menschen konnte man nie ermessen. Susan ging zum Kühlschrank, zog eine große Platte mit Partyhäppchen heraus und stellte sie neben das Glas Milch vor Tracey auf den Tisch.
»Die mag ich am liebsten.« Tracey nahm eines der feinen Sandwichs und betrachtete die breiten Streifen von Tunfisch und Ei zwischen je einer kleinen Scheibe Weiß- und Graubrot. Sie biss einmal zu und dann noch einmal, und das Sandwich war verschwunden. Tracey leckte sich die Finger ab, dieselben Finger, die heute Morgen mit dem Blut ihrer Mutter beschmiert waren. »Die sind echt lecker«, sagte sie und nahm sich noch eins.
Susan wandte den Blick ab, weil sie nicht sicher war, dass sie ihren Abscheu würde verbergen können. Du darfst sie nicht vorschnell verurteilen, ermahnte sie sich erneut.
»Wie kannst du in einem solchen Moment essen?«, fragte Ariel, frei von solchen Gedanken und falscher Rücksicht.
»Was?« Tracey sah sie traurig und betroffen an.
Ariel schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie du über Sandwichs reden kannst, nachdem deine Mutter ermordet worden ist.«
»Ariel«, ermahnte Susan sie, ohne zu wissen, was sie noch sagen sollte, weil sie exakt dasselbe gedacht hatte.
»Oh Gott, meine Mutter«, heulte Tracey auf, ließ das Sandwich auf den Teller fallen und begann, ihren Körper heftig hin und her zu wiegen. »Meine Mutter.
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