Nur Wenn Du Mich Liebst
getrunken zu haben. »Und warum sollte ich das tun?«
»Ein Prozess ist teuer, Paul. Das weißt du. Teuer und unschön. Ich glaube, dass es sehr, sehr hässlich werden könnte. Ich möchte deine Mutter genauso wenig verletzen wie du.«
»Unsinn!«
»Mach deiner Schwester ein Angebot, Paul. Lass diesen Fall nicht vor Gericht gehen.«
»Was willst du mir damit sagen? Dass du die geheimnisvolle Geliebte aus Dayton gefunden oder die Phantombabysitterin aufgetrieben hast?« Er lachte, doch es klang gezwungen, hohl und ängstlich.
»Besprich die Sache mit deiner Frau«, riet Vicki ihm kryptisch. »Und setz dich dann wieder mit mir in Verbindung.« Sie senkte den Blick, als wollte sie andeuten, dass das Gespräch beendet war.
»Was soll das heißen, ich soll die Sache mit meiner Frau besprechen? Sie hat rein gar nichts damit zu tun.«
»Joanne hat eine ganze Menge damit zu tun«, sagte Vicki gemessen und sah Paul Moore direkt an. »Wenn die Sache vor Gericht geht, muss ich sie in den Zeugenstand rufen.«
»Wovon redest du überhaupt? Welche Lügen hat Adrienne dir über meine Frau erzählt? Sag mir nicht, dass sie meinen Vater beschuldigt hat, Joanne belästigt zu haben!«
»Nein«, sagte Vicki. »Ich glaube nicht, dass Adrienne eine Ahnung davon hat, was zwischen deinem Vater und Joanne geschehen ist.«
Für einen Moment erschien Vicki die Luft so schwer und still, dass sie glaubte, unter Wasser zu stehen. Nichts rührte sich, man hörte keinen Laut, keinen Atem. Dann sprang Paul unvermittelt auf, und der Raum um sie schien sich taumelnd zu drehen, als ob jemand einen Stecker gezogen hätte und sie in einen gigantischen Strudel gerissen würde. Vicki packte mit beiden Händen die Tischplatte und hielt sich fest, damit die wütenden Blitze, die aus seinen Augen zuckten, sie nicht davonfegten.
»Mein Vater und Joanne! Was für ein kranker Witz soll das werden?«
»Es ist vor sehr langer Zeit passiert, kurz nach eurer Hochzeit. Offenbar hatte dein Vater dich in einer geschäftlichen Angelegenheit aus der Stadt beordert.«
»Ist in meiner Abwesenheit irgendetwas vorgefallen?«
»Dein Vater ist in eurer Wohnung aufgekreuzt und hat versucht, sich deiner Frau gewaltsam aufzudrängen. Sie konnte ihn abwehren, aber nur knapp und mit größter Mühe. Dass sie nach dem Zwischenfall ziemlich erschüttert war, versteht sich wohl von selbst.«
»Du lügst.«
»Ich lüge nicht.«
»Und all das weißt du, weil...?«
»...Joanne es mir erzählt hat.«
Paul Moore wurde schlagartig aschfahl, als ob eine Hauptschlagader durchtrennt worden wäre und er unter rapidem Blutverlust litte. Er ließ die Arme sinken, und seine Knie zitterten sichtlich unter dem glatten dunkelbraunen Stoff seiner Hose. Er musste sich auf der Lehne des Stuhls abstützen, um nicht einzuknicken. Einen Moment lang fürchtete Vicki, er könnte ohnmächtig werden. »Meine Frau hat es dir erzählt?«, wiederholte er mühsam und mit schwerer Zunge.
»Ja«, erwiderte Vicki, ängstlich, noch mehr zu sagen.
»Wann?«
»Kurz nachdem es passiert ist. Sie musste mit irgendwem reden; ich war zufällig da. Sie hat mich strikte Vertraulichkeit schwören lassen. Sie sagte, sie wollte der Familie keine Probleme bereiten. Vor allem wollte sie deiner Mutter nicht wehtun.«
Paul schüttelte den Kopf. »Ich glaube dir nicht«, meinte er, obwohl die Tränen in seinen Augen etwas anderes sagten.
»Regele die Sache außergerichtlich, Paul.«
»Das würdest du wirklich benutzen? Etwas, was meine Frau dir vor fast acht Jahren unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hat? Etwas, das kein anderer Anwalt je wissen könnte? Das kann nicht moralisch sein.«
»Es ist absolut moralisch. Wie ich meine Informationen bekomme, ist irrelevant.« Wieder dieses Wort.
»Genauso irrelevant ist es, was mein Vater sich möglicherweise hat zu Schulden kommen lassen oder auch nicht. Er hatte jedes Recht, meine Schwester aus seinem Testament zu streichen.«
»Ein Richter könnte da anderer Meinung sein«, erklärte Vicki Paul schlicht. »Es ist natürlich eine Lotterie. Ein Urteil könnte so oder so ausfallen. Aber möchtest du wirklich, dass all das ans Licht kommt? Willst du, dass es öffentlich vor Gericht erörtert wird? Ring dich zu einem Vergleich durch, Paul, bevor es noch weitere Kreise zieht, bevor noch mehr Menschen verletzt werden.«
Paul ließ den Kopf auf seine breite Brust sinken, als wäre er von einem Schuss getroffen worden, und verharrte etliche Minuten so,
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