Nur zu deinem Schutz (German Edition)
einzuklagen, sodass niemand mehr über mich bestimmen könnte, gab er Ruhe.
Meiner Mom geht es vielleicht nicht besonders, aber sie ist immer noch meine Mom.
Es war eine ziemlich unschöne Auseinandersetzung, aber am Ende einigten wir uns immerhin auf so etwas wie Waffenstillstand, und ich erklärte mich bereit, zu ihm nach New Jersey zu ziehen. Er wohnt immer noch in demselben Haus in Kasselton, in dem er und mein Dad aufgewachsen sind. Echt komisch. Ich habe das Zimmer im Keller bekommen, das früher Myron gehörte, und mache einen Riesenbogen um das Zimmer im ersten Stock, in dem mein Vater seine Kindheit verbrachte. Trotzdem ist es irgendwie unheimlich.
Als Gegenleistung dafür, dass ich einwilligte, bei ihm zu wohnen, stimmte Myron zu, dass meine Mutter die alleinige Erziehungsberechtigte blieb, und versprach, sich nicht in mein Leben einzumischen. Aber genau dieser Teil der Abmachung bereitet ihm nach wie vor einige Schwierigkeiten.
Als ich jetzt vor dem Haus der Hexe stand, fröstelte mich. Die kahlen Bäume in ihrem Vorgarten bogen sich ächzend im Wind. Mir sind in allen Teilen der Welt alle möglichen Formen von Aberglauben begegnet. Das meiste davon kam mir völlig absurd vor, aber meine Eltern haben mir beigebracht, so unvoreingenommen wie möglich zu bleiben. Jedenfalls glaube ich nicht an Spukhäuser und auch nicht an Geister oder körperlose Schatten, die nachts ihr Unwesen treiben.
Aber wenn ich daran geglaubt hätte, dann wäre ich in diesem Moment sicher davon überzeugt gewesen, dass dieser Ort die Heimstätte von so ziemlich jedem übernatürlichen Wesen war, das der Aberglaube sich nur vorstellen kann.
Das Haus war so heruntergekommen und schief, dass es aussah, als könnte es beim kleinsten Windstoß in sich zusammenfallen. An vielen Stellen bröckelte tellergroß der Putz aus der Fassade, ein paar der Fenster waren mit Holzplanken vernagelt, die Scheiben der übrigen waren so beschlagen, als hätte das Haus gerade eine heiße Dusche genommen, was angesichts seines verdreckten Zustands auch dringend nötig gewesen wäre.
Hätte ich die Hexe nicht mit eigenen Augen gesehen, wäre ich davon überzeugt gewesen, dass das Haus schon seit vielen Jahren nicht mehr bewohnt war.
Ich ging zur Tür und klopfte. Keine Antwort. Ich hielt das Ohr ganz dicht an das Holz – nicht zu nah, weil ich mir keinen Splitter einfangen wollte – und lauschte. Nichts. Völlige Stille. Ich klopfte noch einmal. Wieder keine Antwort.
Und jetzt?
Nachdem ich eine Weile nachgedacht hatte, beschloss ich, es an der Hintertür zu versuchen. Ich ging links herum, weil das Haus, wie schon gesagt, ziemlich Schlagseite hatte und ich nicht darunter begraben werden wollte, falls es plötzlich zusammenkrachte. Als ich nach oben schaute, bildete ich mir einen kurzen Moment lang ein, in einem der Fenster im obersten Stock einen grauen Haaransatz zu sehen, und stellte mir vor, wie die Hexe dort oben, immer noch ganz in Weiß gekleidet, in einem Schaukelstuhl saß und auf mich herabschaute.
Ich ging schneller und fragte mich beklommen, was ich wohl hinter ihrem Haus finden würde.
Nichts.
Das Haus grenzte direkt an ein kleines Wäldchen. Um genau zu sein, sah es sogar so aus, als wäre es zur Hälfte auf einem ganz normalen Grundstück und zur anderen mitten in den Wald gebaut worden. Von der Straße aus hatte man den Eindruck, im Garten würden ziemlich viele Bäume stehen. Aber jetzt sah ich, dass da ausschließlich Bäume standen. Die Wurzeln schienen völlig mit dem Fundament verwachsen zu sein und an der Rückwand wuchsen dicke, hässliche Ranken nach oben. Ich habe keine Ahnung, ob das Haus ursprünglich in den Wald hineingebaut und die Umgebung nachträglich gerodet worden war, oder ob es genau andersherum gewesen war und die Bäume im Laufe der Zeit immer näher gekommen waren und angefangen hatten, das Haus der Hexe zu verschlingen.
»Was treibst du da?«
Ich unterdrückte einen Schrei und machte einen Satz, mit dem ich einen Basketball hätte dunken können. Die Stimme war direkt hinter mir ertönt. Ich drehte mich so hastig um, dass ich über eine Wurzel stolperte und gegen einen Baum knallte.
Es war Ema.
»Hab ich dich erschreckt?« Sie lachte und tat so, als würde sie auf einem Besen reiten. »Dachtest du, ich wäre die Hexe und wollte dich holen?«
Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Sag das nicht so laut.«
»Riesenbaby.«
»Was hast du überhaupt hier zu suchen?«, fragte ich.
Sie zuckte
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