Nur zu deinem Schutz (German Edition)
nannte ihm die Zahlen.
Er fummelte eine Weile am Schloss herum und meinte dann: »Okay, jetzt müsste es funktionieren.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Warte mal, Löffel.«
Er drehte sich zu mir um. »Wie hast du mich eben genannt?«
»Sorry, ich weiß gar nicht, wie du richtig heißt.«
»Löffel . « Er sah zu mir auf und lächelte, als würde ihm zum ersten Mal bewusst, was für einen wunderbaren Klang dieses Wort hatte. »Das gefällt mir. Löffel. Ja, das ist cool. Nenn mich Löffel, okay?«
»Klar.« Und weil er mich so erwartungsvoll ansah, hängte ich noch ein »Äh, Löffel« dran. Er strahlte. Ich wusste nicht genau, wie ich die Frage formulieren sollte, die mir plötzlich auf der Zunge brannte, aber dann dachte ich mir, was soll’s. »Du hast da eine Menge Schlüssel.«
»Nenn mich bloß nicht Schlüssel, ja? Löffel gefällt mir viel besser.«
»Oh, hey, natürlich. Löffel. Du hast vorhin erzählt, dass dein Vater hier Hausmeister ist.«
»Stimmt. Übrigens – die Weiße Hexe aus Die Chroniken von Narnia ? Also ich finde, die ist supersexy.«
»Supersexy«, bestätigte ich, um unsere Unterhaltung schnell wieder auf das Thema zu lenken, das mich wirklich interessierte. »Sag mal, kann dein Dad dir echt Zugang zu allen abgeschlossenen Bereichen verschaffen?«
Löffel lächelte. »Klar, aber dazu muss ich nicht unbedingt meinen Dad fragen. Ich habe ja die Schlüssel.« Für den Fall, dass ich nicht wusste, wovon er redete, wedelte er erneut mit dem Schlüsselbund vor meinem Gesicht herum. »Aber der Mädchenumkleideraum ist tabu. Ich hab ihn schon mal gefragt und …«
»Natürlich. Auf keinen Fall der Mädchenumkleideraum. Aber in andere Räume kannst du?«
Löffel schob sich die Brille auf der Nase hoch. »Woran hast du denn da so gedacht?«
»Na ja«, sagte ich. »Ich habe mich gefragt, ob wir vielleicht in den Verwaltungstrakt könnten, um die Akte einer Schülerin zu suchen.«
»Von welcher Schülerin?«, fragte er.
»Sie heißt Ashley Kent.«
Der Unterricht endete zwar schon um drei, aber da Löffel mir gesagt hatte, dass die Luft erst ab sieben Uhr abends wirklich rein sein würde, musste ich vier Stunden totschlagen. Es war zu früh, um Mom zu besuchen – ich durfte erst abends zu ihr, weil sie tagsüber Therapiesitzungen hatte –, also entschloss ich mich spontan, noch einmal zum Haus der Hexe zurückzugehen.
Als ich das Schulgebäude verließ, warf ich einen Blick auf mein Handy und stellte fest, dass ich eine Nachricht auf der Mailbox hatte. Ich nahm an, dass irgendein Erwachsener sie hinterlassen hatte. Leute in meinem Alter schreiben SMS . Sie wissen nämlich genau, dass Sprachnachrichten total nervig sind, weil man erst einmal seine Mailbox anrufen, dann die Nachricht abhören und sie anschließend auch noch löschen muss.
Ich hatte richtig getippt. Die Nachricht stammte von Onkel Myron. »Ich habe unseren Flug nach Los Angeles gebucht«, sagte er mit betont ernster Stimme. »Samstagmorgen geht’s los, am Sonntag fliegen wir wieder zurück.«
Los Angeles. Wir würden das Grab meines Vaters dort besuchen. Mein Onkel Myron hatte die letzte Ruhestätte seines Bruders noch nicht gesehen. Dasselbe galt für meine Großeltern, mit denen wir uns in L.A. treffen würden und die noch nicht am Grab ihres jüngsten Sohnes gewesen waren.
»Natürlich habe ich auch ein Ticket für deine Mutter besorgt«, fuhr Onkel Myron fort. »Sie kann auf keinen Fall allein hierbleiben. Ich weiß, dass ihr wahrscheinlich lieber für euch wärt, wenn sie morgen entlassen wird, aber vielleicht sollte ich lieber mitkommen. Du weißt schon, sicher ist sicher.«
Ich zog die Brauen zusammen. Auf keinen Fall.
»Jedenfalls hoffe ich, dass bei dir alles in Ordnung ist. Ich bin heute Abend zu Hause. Was hältst du davon, wenn wir uns eine Pizza oder so etwas bestellen?«
Ich hatte keine Lust, ihn zurückzurufen, also schrieb ich ihm eine kurze SMS : Bin zum Abendessen nicht da. Ich glaube, es ist weniger anstrengend fu .. r Mom, wenn du nicht mitkommst.
Myron würde zwar nicht begeistert sein, aber das war nicht mein Problem. Er war schließlich nicht mein Erziehungsberechtigter. Das war Teil unserer Abmachung. Als er erfuhr, dass mein Vater tot war und meine Mutter ernsthafte Probleme hatte, drohte er, die Vormundschaft für mich zu übernehmen. Erst als ich ihm daraufhin meinerseits drohte, abzuhauen – ich habe immer noch genügend Kontakte im Ausland – oder gerichtlich meine Mündigkeit
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