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Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Titel: Nur zu deinem Schutz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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Cafeteria hatte noch zu – offizieller Schulbeginn war erst in ein paar Wochen –, wir mussten uns also selbst versorgen. Ich hatte mir bei Wilkes Deli ein Buffalo-Chicken-Sandwich gekauft, mit dem ich mich auf einen kleinen Abhang mit Blick auf das Footballfeld setzte, und wollte gerade davon abbeißen, als ich sie sah.
    Eigentlich war sie nicht mein Typ, obwohl ich selbst nicht hätte sagen können, wer mein Typ war. Ich habe mein ganzes Leben im Ausland verbracht, weil meine Eltern für eine gemeinnützige Stiftung gearbeitet hatten, die Hilfsprojekte in Ländern wie Laos, Peru und Sierra Leone unterstützt. Geschwister habe ich keine. Früher fand ich es spannend, ständig woanders zu leben, aber je älter ich wurde, desto mehr nervte es mich. Ich wollte endlich mal an einem Ort bleiben. Ich hatte keine Lust mehr, mir ständig neue Freunde und Basketballmannschaften zu suchen. Ich wollte ein ganz normaler Jugendlicher sein und … na ja, vielleicht auch mal das eine oder andere Mädchen kennenlernen. Was ein echtes Problem darstellt, wenn man mit Rucksack in Nepal unterwegs ist.
    Das Mädchen war unfassbar hübsch, so viel stand fest, aber sie hatte gleichzeitig auch etwas von »Höherer Tochter« an sich und wirkte irgendwie arrogant. Sie hatte porzellanpuppenblonde Haare, trug einen Rock, also einen richtigen Rock, meine ich, der züchtig die Knie bedeckte, dazu Söckchen, und sah aus, als wäre sie einem Brooks-Brothers-Katalog entsprungen, aus dem meine Großeltern meistens ihre Klamotten bestellen.
    Ich biss von meinem Sandwich ab, als mir auffiel, dass sie nichts zu essen dabeihatte. Vielleicht machte sie ja gerade eine von diesen komischen Diäten – nicht dass sie das nötig gehabt hätte –, aber aus irgendeinem Grund glaubte ich das nicht.
    Ich beschloss spontan, zu ihr rüberzugehen, obwohl ich eigentlich gar nicht in der Stimmung war, mich zu unterhalten oder jemanden kennenzulernen. Mir schwirrte immer noch der Kopf von den vielen neuen Leuten, die in mein Leben getreten waren, und ich konnte gut darauf verzichten, dass noch mehr hinzukamen.
    Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass sie so hübsch war – und ich genauso oberflächlich wie alle anderen Typen. Oder damit, dass der Einsame manchmal den Einsamen wittert. Zumindest schien sie genau wie ich lieber für sich zu bleiben.
    Ich ging zögernd auf sie zu, hob die Hand und sagte: »Hi.«
    Wortgewandtheit ist übrigens eine meiner ganz großen Stärken.
    Sie sah zu mir auf und schirmte ihre smaragdgrünen Augen vor der Sonne ab. »Hi.«
    Jep, sie war unfassbar hübsch.
    Ich trat verlegen von einem Bein aufs andere, wurde rot und hatte plötzlich das Gefühl, dass meine Hände viel zu groß für meinen Körper waren. Der zweite Satz, den ich zu ihr sagte, lautete: »Ich heiße Mickey.«
    Also wenn das keine geschliffene Rhetorik ist – Worte wie in Stein gemeißelt.
    »Und ich bin Ashley Kent.«
    »Cool«, sagte ich.
    Sie lächelte zurückhaltend.
    Irgendwo auf dieser Welt – in China oder Indien oder einem entlegenen Dorf in Afrika – gab es vielleicht einen noch größeren Deppen als mich. Aber meine Hand hätte ich dafür nicht ins Feuer gelegt.
    Ich hielt mein Sandwich hoch. »Hast du dir nichts zu essen mitgebracht?«
    »Nein, habe ich vergessen.«
    »Das Teil hier ist riesig«, sagte ich. »Möchtest du die Hälfte?«
    »Oh, das kann ich nicht annehmen.«
    Aber ich bestand darauf, und sie lud mich daraufhin ein, mich zu ihr zu setzen. Ashley kam auch in die zehnte Klasse und war wie ich neu in der Stadt. Sie erzählte, dass ihr Vater ein erfolgreicher Chirurg und ihre Mutter Anwältin war.
    Wäre das Leben ein Film, hätte an der Stelle die Musik eingesetzt. Irgendeine Schnulze wäre gespielt worden, während die Kamera ein Stück zurückfährt und zeigt, wie Ashley und ich uns das Sandwich teilen, reden, lachen, schüchterne Blicke austauschen, Händchen halten – und uns schließlich unseren ersten zaghaften Kuss geben.
    Das war jetzt drei Wochen her.
    Ich schaffte es gerade rechtzeitig mit dem ersten Gong ins Klassenzimmer. Mr Hill überprüfte die Anwesenheit, dann gongte es zum zweiten Mal und die erste Stunde stand an. Kaum war sie zu Ende, spurtete ich zu Ashleys Klassenzimmer am anderen Ende des Flurs. Ich drückte mich ein paar Minuten davor herum. Aber wieder einmal wartete ich vergeblich.
    Für mich war Ashley meine Freundin gewesen, auch wenn das vielleicht ein bisschen voreilig war. Wir ließen es eher langsam

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