Nur zu deinem Schutz (German Edition)
Klumpen Schmerz. Ich brauchte allein zehn Minuten, bis ich es geschafft hatte, mich aufzusetzen und aus dem Bett zu steigen. Meine Schläfen pochten. Mein Kopf dröhnte. Meine Rippen waren so empfindlich, dass jeder Atemzug zur Herausforderung wurde.
Auf meinem Nachttisch lagen zwei Tabletten, die ich als Allererstes schluckte. Das machte es etwas erträglicher. Myron hatte den Ford Taurus in die Werkstatt gebracht, um das Fenster reparieren zu lassen, das Derrick eingeschlagen hatte, was bedeutete, dass ich zu Fuß gehen musste. Ich nahm an, dass die Polizei immer noch nach Derrick suchte, aber von mir würden sie bestimmt nicht erfahren, dass sie damit nur ihre Zeit verschwendeten.
Nach einem zweistündigen Spaziergang stand ich endlich in der Eingangshalle des Coddington Rehab Center. Christine Shippee begrüßte mich mit verschränkten Armen.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du vorerst noch nicht zu deiner Mutter darfst.«
Ich ließ alles, was ich in den letzten Wochen erfahren und erlebt hatte, noch einmal Revue passieren. Ich dachte an ABEONAS ZUFLUCHT und die Arbeit, die meine Eltern im Auftrag der Organisation geleistet hatten. An den Brief, den mein Vater an Juan geschickt hatte, und an seinen sehnlichen Wunsch, mir ein ganz normales Leben zu ermöglichen. An unseren Umzug zurück in die USA , an die Fahrt nach San Diego und den Unfall. Ich dachte an den Sanitäter mit den rotblonden Haaren und den grünen Augen und daran, dass ich sofort gewusst hatte, dass mein altes Leben vorbei war, als ich den Ausdruck auf seinem Gesicht gesehen hatte. Und wie ich mich darüber gewundert hatte, dass selbst ein Wildfremder wie er besser über meine Zukunft Bescheid zu wissen schien als ich.
Ich dachte an das Gesicht meiner Mutter, als sie vom Tod meines Vaters erfahren hatte, und daran, dass sie an diesem Tag in gewisser Weise ebenfalls gestorben war. Ich dachte daran, wie ich versucht hatte, ihr zu helfen, sie irgendwie am Leben zu erhalten, wie sie sich an mich klammerte, mich anlog und sogar manipulierte. Ich dachte an die Spaghetti mit Fleischklößchen, das Abendessen, das sie nie für mich gekocht hatte. Und an das Knoblauchbrot.
»Mickey?« Christine Shipee musterte mich besorgt. »Alles in Ordnung?«
»Richten Sie ihr bitte aus, dass ich sie liebe«, sagte ich. »Dass ich für sie da bin und immer für sie da sein werde. Dass ich sie jeden Tag besuchen und niemals im Stich lassen werde. Sagen Sie ihr das bitte.«
»Okay«, erwiderte Christine sanft. »Versprochen.«
Und dann drehte ich mich um und ging.
Am Ende der Klinikauffahrt wartete die schwarze Limousine mit dem Kennzeichen A30432 auf mich. Ich war nicht überrascht. Die Beifahrertür ging auf und der Glatzkopf stieg aus. Wie immer trug er seinen dunklen Anzug und die Sonnenbrille.
Er öffnete die hintere Tür.
Ich stieg wortlos ein.
27
DEN FAHRER BEKAM ICH NICHT ZU GESICHT. Die Rückbank war durch eine Milchglaswand vom vorderen Bereich getrennt. Fünf Minuten nachdem sie mich abgeholt hatten, fuhren wir durch einen Wald. Ich blickte aus dem Fenster. Vor uns kam die Garage der Hexe in Sicht. Genau wie damals, als Ema und ich ihn an jenem Nachmittag heimlich beobachtet hatten, stieg der Glatzkopf aus und öffnete das Garagentor. Wir fuhren hinein, dann hielt er mir die Tür auf und bat mich, ihm zu folgen.
Im Inneren der Garage sah es aus, wie es im Inneren einer Garage eben aussieht. Alles ganz normal. Der Glatzkopf ging in die Knie, zog eine im Boden eingelassene Falltür auf, stieg eine Treppe hinunter und bedeutete mir, mitzukommen. Wir gingen durch einen schmalen Tunnel, von dem ich annahm, dass er zum Haus der Hexe führte.
Das, dachte ich, erklärt das Licht, das durch die Kellertür drang, als ich im Haus gewesen war.
Wir kamen an einer Tür vorbei. »Was ist das für ein Raum?«
Der Glatzkopf schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Vor der nächsten Tür blieb er stehen und sagte: »Ich komme nur bis hierhin mit.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass du dich allein mit ihr triffst.«
Mit ihr .
Er ließ mich stehen und machte sich auf den Rückweg zur Garage. Die hämmernden Kopfschmerzen setzten von Neuem ein. Vermutlich ließ die Wirkung der Schmerztabletten allmählich nach. Ich öffnete die Tür, ging eine Treppe hinauf und fand mich im Wohnzimmer der Hexe wieder.
Es hatte sich kaum etwas verändert. Der vorherrschende Farbton war Braun. Die Fenster waren mit Holzlatten verrammelt. Die Standuhr war stehen
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