Nuramon
Absichten des Schicksals zu zweifeln«, entgegnete Nuramon und dachte an Emerelle. Von den Orakeln abgesehen, gab es sicherlich kaum ein Wesen, das dem Schicksal mehr ergeben war als die Elfenkönigin. Sie erkannte scheinbar unbedeutende Dinge, die Jahrtausende später zu etwas Entscheidendem heranwachsen konnten.
»Was werdet ihr mit uns tun?«, fragte Bjoremul. »Ein Lösegeld fordern?«
»Abwarten«, antwortete Gaeremul.
»Unsere Krieger werden die Schlacht auch ohne uns gewinnen«, sagte Dorgal. »Einer der Offiziere wird die Ordnung dort herstellen, wo sie verloren ging, und dort bewahren, wo sie standhielt.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Yargir, dessen Wunde offenbar nicht so ernst war, dass er nicht alleine gehen und Widerworte geben konnte.
Bjoremul lachte. »Wir sind hier irgendwo im Nichts, und auf der anderen Seite der Pforte entscheiden andere über Sieg oder Niederlage – und darüber, wie viel Wert wir als Gefangene haben.«
Nuramon nickte. »Der Boden, aus dem die Zukunft erwächst, wird draußen in der Welt bestellt.«
Kaum hatten sie den nächsten Albenstern betreten, wirkte Nuramon seinen Torzauber. Die Ungeduld war selbst den Verwundeten anzumerken, als sie auf die magische Pforte starrten, die sich aus dem Boden emporschob. Gleich würden sie erfahren, ob ihr Wagnis die Wunden und vielleicht sogar die bleibenden Gebrechen wert gewesen war.
»Ein Alvaru könnte in Varmul oder den Fürstentümern die größ ten Ehren empfangen«, sagte Varramil und schüttelte den Kopf. »Einen wie dich würde man mit Gold aufwiegen, um ihn in den eigenen Reihen zu wissen.«
»Ich mache mir nichts aus Gold«, entgegnete Nuramon und winkte die Verletzten und jene, die sie stützten oder trugen, durch die Pforte. Dann erst folgten die Gefangenen und jene, die sie bewachten.
Als Nuramon alleine zurückgeblieben war, schaute er sich um. Er hatte seine Aufgabe erledigt und genoss das Gefühl, Teil von etwas zu sein. Vielleicht hatte er sich schon zu lange abseitsgehalten. Vielleicht war es an der Zeit, sich endgültig einzugestehen, dass seine Bestimmung nicht darin bestand, als Einsiedler oder einsamer Wanderer auf etwas zu warten, das vielleicht niemals kommen würde. Und als er schließlich selbst durch das Tor schritt, schwor er sich, den Wegen, die sich ihm boten, zu folgen – ganz gleich, wohin sie ihn führten. Er würde sich nicht länger von der Sehnsucht nach Vergangenem und Verlorenem leiten, sein Leben nicht länger von Angst und Sorge bestimmen lassen.
Mit diesem Entschluss im Herzen erschien Nuramon kurz darauf neben der plätschernden Quelle, an der er wohnte. Das Wasser lief einen Felsen herab und mündete in einen Bach. Auf einem flachen Stein lagen seine Sachen: zwei Beutel und seine Kleidung. Für einen Außenstehenden wirkte es gewiss, als würde er hier lediglich rasten und nicht seit Jahren leben.
Nuramon folgte den Gefährten und ihren Gefangenen den Bach entlang und zwischen den Tannen hindurch. Am Ende des Waldes erwartete sie der Blick über das Schlachtfeld. Nuramon trat zwischen den Gefährten an den Rand der Klippe vor und schaute hinab. Und tatsächlich: Die Streitmacht der Varmulier strebte gen Süden davon. Wo eben noch Varramil mit seinen Schwertfürsten gestanden hatte, reckten nun die Teredyrer Krieger ihre Waffen in die Höhe. Ihre grünen Rosenbanner wehten im Wind.
Teredyr selbst lag abseits des engen Passes still vor der Felswand und dem Wasserfall. Hätte man nur die Stadt erblickt, wie sie auf dem Hügel vor dem Pass thronte, umgeben von einem Wall, in des sen Graben die Rosensträucher wucherten, man hätte nicht geglaubt, dass sie dem Untergang so nahe gekommen war. Noch herrschte dort Ruhe, aber bald schon würden all jene Teredyrer zurückkehren, die sich ins Hochtal zurückgezogen hatten. Noch harrten sie dort oben im Dorf aus, umgeben von den Minen, nach denen die Varmulier strebten; geschützt durch den engen Pass, den die Teredyrer mit einer Handvoll Krieger hielten.
»Wir haben gewonnen!«, rief Yargir. »Gewonnen!«
Die Gefährten ließen sich von Yargirs Überschwang anstecken, und ein Jubel erhob sich unter den Kriegern. Einigen der Verletzten kamen sogar die Tränen. Ihre Opfer waren nicht umsonst gewesen. Nuramon aber schaute hinab auf das Schlachtfeld, auf dem sich die verletzten und erschöpften Krieger zwischen den Toten rührten. Die verwundeten Männer und Frauen dort unten brauchten seine Heilkräfte, und jeder Überlebende würde die
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