Nuramon
wurden?«
Daoramu lachte. Nerimee beherrschte den Merelbyrer Singsang perfekt. »Nach solchem Streit sehnst du dich?«, fragte sie und strich ihrer Tochter über die Schulter.
Nerimees Lächeln fügte sich zu einem Schmunzeln. »Nein. Darüber bin ich hinweg. Dieses Spiel müssen wir nicht mehr spielen.«
»Wäre Gaerigar doch auch nur schon so weit, den Streit als überflüssiges Spiel zu betrachten.«
»Er ist wie Großvater«, sagte Nerimee und gähnte leise.
»Hast du gesehen, dass Yendred bei Ceren ist?«, fragte Daoramu, um nicht von Kriegern und deren Gemüt sprechen zu müssen.
Nerimee lächelte nur. »Er ist wissbegierig. Ich wollte ihn nicht warten lassen. Und Ceren hatte Zeit.«
»Es tut ihr sicher gut, einmal nicht an irgendwelchen Steinen zu arbeiten. Und sie wird seine ständigen Fragen gewiss besser ertragen als wir.«
Nerimee nickte. »Er stellt inzwischen Fragen, die ich ihm nicht beantworten kann.«
»Fragen zur Magie?«
»Zu dem, was hinter der Magie steht. Und er will wissen, wie die Elfen früher in Vaters Sippe unterwiesen wurden. Er will wie Vater sein. Und wenn er nicht so viel Unsinn im Kopf hätte, würde er auch weiterkommen.«
»Er hat gerade in aller Ruhe vor Ceren gesessen«, erklärte Daoramu.
»Dann vermag sie wieder einmal, woran andere scheitern.«
Daoramu strich Nerimee über die Wange. »Du bist noch ganz warm. Ich lasse dir etwas zu essen bringen. Und dann schläfst du noch ein bisschen«, sagte sie.
Nerimee winkte ab. »Heute Abend möchte ich zu den Byrrunur. Terwanu feiert die Eröffnung ihres Ladens.«
»Hat sie das nicht schon getan?«, fragte Daoramu, denn das hatte sie erst vor Kurzem von Terbarn Byrrunur, dem Palastvogt, gehört.
»Ja, aber das war die öffentliche Feier. Heute Abend will sie mit ihren Freunden feiern.«
»Solange du eine Leibwache mitnimmst, habe ich nichts da gegen.«
»Ach, Mutter!«
»Keine Widerworte. Mich hätte es letzten Monat in Byrnjas fast erwischt.« Ein vergifteter Wurfdolch hatte sie nur knapp verfehlt. Nylma hatte den Meuchelmörder zwar niedergestreckt, aber Hinweise auf dessen Auftraggeber hatten sie nicht gefunden. »Und gerade die Hassbriefe der letzten Zeit sollten uns vorsichtig sein lassen«, sagte Daoramu.
»Hast du wieder einen bekommen?«, fragte Nerimee.
Daoramu nickte.
»Zeigst du ihn mir? Vielleicht kann ich herausfinden, von wem sie kommen. Du hast dafür keine Zeit, aber ich könnte es zu meiner Aufgabe machen.«
Daoramu nickte, küsste Nerimee den Kopf und erhob sich. »Ich gebe dir die Briefe heute Abend.«
Als Daoramu die Tür ihrer Tochter geschlossen und sich auf den Weg nach unten gemacht hatte, bereute sie ihre Zusage bereits. Sie schämte sich für die Worte des Briefeschreibers, fast so, als wäre etwas Wahres an den Vorwürfen. Gewiss, sie hatte nichts dafür getan, die Tochter eines Fürsten zu sein. Auf den Fürstenthron kam man durch ein Erbe oder durch das Vertrauen der Adligen – und ihr Vater war auf die ehrenwertere Weise an die Krone gelangt. Aber der Schreiber der Briefe empörte sich auch nicht über Borugar, sondern darüber, dass sie ihn einst beerben und ihm auf dem Thron nachfolgen würde. Und das, obwohl innerhalb ihrer Familie längst geklärt war, dass Gaerigar dieses Erbe antreten würde. Der Briefeschreiber wusste nichts davon, und deshalb malte er das Bild einer Fürstin, die im Alter nur noch von Elfenmagie am Leben gehalten wurde und Nuramon an ihrer statt herrschen ließ. Dass der Schreiber auf ihr Altern anspielte, ging Daoramu besonders nahe. Vermutlich war ihm nicht einmal bewusst, dass er ihre verwundbare Stelle getroffen hatte.
Daoramu ging hinab in den Keller, um die Köche zu bitten, ihr das Mittagessen an den Tisch der Boten zu bringen. Hier in den Tiefen des Palastes hatten die alten Könige sich eine Zuflucht für den Fall einer Belagerung geschaffen. Die breiten Gänge waren direkt in den Fels der Klippe gehauen, und rechts und links davon gingen tiefe Nischen, Kammern und eine Handvoll Säle ab.
Die Speisehalle war das Herz des Palastes. Hier brannten die Herdfeuer, hier standen die Tische der wichtigsten Bediensteten und Palastwachen; hier trafen sich all jene, deren Vertrauen die Fürstenfamilie genoss: jene, die ihre Mahlzeiten zubereiten durften, jene, die in ihren Gemächern ein und aus gingen. Alle übrigen Bediensteten waren in den Nebengebäuden untergebracht.
Daoramus Vater war oft hier unten, und Gaerigar verbrachte in dieser und der
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