Nuramon
Varramil niederzustrecken, erwischte ihn etwas im Rücken. Er fuhr herum und sah Bjoremul. Mit zugekniffenen Augen hob der Krieger den Dreschflegel zu einem neuen Angriff. Nuramon merkte, dass er zu lange zögerte, doch da war es schon zu spät: Etwas Hartes traf ihn am Hinterkopf, und er ging zu Boden.
Mit getrübtem Blick sah er drei Schatten über sich; einer wandte sich ab, der andere wich einen Deut zurück, der dritte holte zum Schlag aus. Mit einem Ruck hob Nuramon den Schwertarm, spürte, dass etwas in seinen Unterarm schnitt, kämpfte gegen den Schmerz an und merkte, dass seine Klinge ihr Ziel gefunden hatte. Er erkannte den Getroffenen am Schrei. Es war Varramil.
Nuramons Blick klärte sich, und er sah den Neffen des varmulischen Königs über sich. Der Krieger starrte röchelnd und mit hassverzerrter Miene auf ihn herab. Als Nuramon ihm das Schwert wieder aus dem Leib riss, fiel Varramil zu Boden und blieb reglos liegen.
Nuramon rollte sich zur Seite und bemühte sich, auf die Beine zu kommen. Er sah in Dorgals zornerfülltes Gesicht, riss seine Waffe hoch, geriet ins Taumeln und konnte nicht verhindern, dass ihn die Klinge des Feindes in die Seite schnitt. Der Schmerz weckte seine Sinne, und schon kam Bjoremul heran und verwickelte ihn in einen Schlagabtausch, bis ein Schmerz im Rücken Nuramon erneut herumfahren ließ. Blitzschnell wich Nuramon einem Hieb Dorgals zur Seite aus, zog ihm seine Klinge über die Brust und trieb ihn zurück.
Bjoremuls Dreschflegel zischte herab, doch statt Nuramon niederzuschlagen, wirbelte die Waffe nur Erdreich empor. Nuramon wandte sich um und sah zu Dorgal hinab. Der Wyrenar kauerte über Varramils Leiche und hielt sich die Brust. Nur Bjoremul stand noch aufrecht da, den Kriegsflegel in der Hand.
»Warum, Bjoremul?«, fragte Nuramon.
»Meine Frau und mein Kind. Ich muss gehorchen.«
»Ich werde mein Leben nicht für deine Frau und dein Kind aufgeben«, sagte Nuramon. »Vielleicht gibt es einen anderen Weg«, flüsterte er dann.
»Vielleicht«, sagte Bjoremul leise und ging zum Angriff über.
Bjoremul schien nichts von seinem Können verloren zu haben. Zwar hatte er ein wenig an Körperfülle zugelegt, war jedoch flink wie eh und je. Selbst das Jubeln der Umstehenden verebbte im Angesicht ihres Kampfes zu einem Raunen, das nur aufbrandete, wenn einer von ihnen in Gefahr kam, einen besonders gekonnten Angriff führte oder mit einer besonders geschickten Bewegung auswich.
Als Bjoremul einmal weiter ausholte als sonst und den Schlagkopf des Kriegsflegels hoch oben kreisen ließ, stieß Nuramon ihm das Schwert in den Leib. Der Angriff war mehr Instinkt als Wille, und nun war es geschehen: Bjoremul sank auf die Knie und stützte sich mit dem Dreschflegel am Boden ab. Dann fiel er zur Seite und rührte sich nicht mehr.
Nuramon kniete sich zu ihm und drehte ihn auf den Rücken. »Du Narr«, sagte er. »Warum hast du nicht das Schicksal entscheiden lassen?«
Bjoremul hustete. »Dorgal hatte das Schicksal in Händen und Varramil auch«, flüsterte er. »Aber ich? Mein Tod rettet meine Familie. Nur so konnte ich mein Ziel erreichen, ohne einen Freund zu töten.«
»Tötet den Alvaru!«, rief Dorgal, dann spuckte er Blut, und der Rest seiner Worte wurde zu einem Röcheln. Einige seiner Krieger hatten ihm die Rüstung ausgezogen und kümmerten sich um seine Wunden. Die Varmulier schauten sich um, als suchten sie nach jemandem, der den Befehl des sterbenden Wyrenar bestätigte, doch niemand rührte sich. Dann verlor Dorgal das Bewusstsein.
»Waragir!«, rief Nuramon, und Nylmas und Yargirs Sohn trat näher. »Hast du Quellwasser bei dir?«
Waragir nickte und reichte ihm seinen kleinen Wasserschlauch.
Nuramon löste sich von Bjoremul und näherte sich Dorgal und den feindlichen Kriegern, die sich inzwischen hinter ihm und dem Leichnam Varramils versammelt hatten.
»Euer Anführer ist tot«, sagte Nuramon. »Die anderen beiden liegen im Sterben. Wer dem Wort eines Todgeweihten folgt, mag bald selbst tot sein. Wer hat also jetzt das Sagen? Wer ist der Schwertfürst?«
Ein junger Krieger mit tiefschwarzem, hüftlangem Haar trat vor.
»Gib Dorgal dies, und zieh hinfort«, sagte Nuramon und reichte dem feindlichen Schwertfürsten den Wasserschlauch. »Das Töten hat für heute ein Ende. Bjoremul ist mein Gefangener. Ich erlaube es nicht, dass sein Verrat an unserer Freundschaft so leicht bezahlt wird.«
»Und wenn wir bleiben?«
»Dann stirbt Dorgal und auch Bjoremul.
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