Nuramon
willst du den langen Weg bei Jasgur gehen?«
Endlich machte Gaerigar ein kindliches Gesicht. Mit seinen dreizehn Jahren war er noch weit davon entfernt, der große Krieger zu sein, für den er sich bereits hielt. »In Ordnung. Aber ich möchte am 27. Lysgor am Rennen teilnehmen.« Dabei handelte es sich um ein Pferderennen auf Jasbor. Einmal im Jahr führte das Fürstenrennen quer durch die Stadt. Es war eine Tradition, die Borugar aus seiner Kindheit kannte und wieder zum Leben erweckt hatte.
Daoramu lächelte. »Wir wollten es dir erst an deinem Geburtstag sagen. Aber wir werden dich daran teilnehmen lassen.«
»Wirklich?«, rief er mit heller Stimme.
»Ja. Aber bis dahin musst du dich zusammenreißen.«
Gaerigar schloss sie in die Arme und küsste sie auf die Wange. Noch überragte sie ihn um einen Kopf, aber wenn er Nerimee nacheiferte, war er gewiss bald mit ihr auf Augenhöhe. »Danke, Mutter. Ich werde noch heute mit den Vorbereitungen beginnen.«
»Nachdem du bei deinem Lehrmeister warst«, sagte sie.
Gaerigar grinste schief. »Ja, sofort danach.« Dann tippte er ihr mit den Fingerspitzen gegen den Arm. »Ich muss los!«, rief er, schnappte sich seinen Mantel und rannte durch das Haupttor aus dem Saal hinaus.
Kopfschüttelnd schaute Daoramu ihm nach. Wenn er heran wuchs und sein Temperament sich abkühlte, würde er ein guter Fürst sein. Aber dennoch glaubte sie, dass Nerimee auf den Thron gehörte. Ihre Tochter war jedoch in dieser Hinsicht ebenso ambitionslos wie Daoramu selbst. Vielleicht würde Nerimee Gaerigar einst jene Beraterin sein, die Daoramu ihrem Vater war.
Nylma riss sie aus ihren Gedanken. »Wollen wir essen?«, fragte die Kriegerin.
Daoramu blinzelte, dann nickte sie. »Yurna wartet schon.«
Zwischen Jasbor und Varlbyra
Drei Tage nach der Eroberung der Quelle im Schlangenforst erreichte Nuramon mit seinen Kriegern und seinem Gefangenen über die Albenpfade die Festung Elfengrat. Diese lag im Herzogtum Gaelbyrn am Osthang der Lysdorynen. Während die Ilvaru auf dem Hof an den Feuern saßen und mit den Festungskriegern etwas aßen, sahen Nuramon und Bjoremul von der Mauer auf die Kranzstraße hinab. Dort bog eine Reiterschar unter dem blauen Fuchsbanner von Gaelbyrn auf den Weg ein, der sich zur Festung heraufwand.
»Habt ihr solche Festungen überall im Fürstentum?«, fragte Bjoremul.
Nuramon nickte. »An nahezu jedem Albenstern«, sagte er.
»Alle Achtung. Du und dein Fürst, ihr habt viel erreicht.«
»Das war Daoramus Plan«, erklärte Nuramon. »Sie schlug vor, nicht nur die Albensterne nahe der Grenze zu schützen, sondern die des ganzen Fürstentums.«
»Du hast eine kluge Frau. Eine gerissene Frau.«
»Gerissen?«
Bjoremul lachte leise und wies dann hinab in den Hof. »Die Krieger der Festung. Wessen Befehl folgen sie?«
»Dem des Fürsten.«
»Und das haben die Grafen und Herzöge klaglos hingenommen?«
»Zuerst scheuten sie den Aufwand. Aber der Fürst sagte, er werde den Bau selbst bezahlen. Er ließ sich das Land am Albenstern geben und überließ ihnen dafür Land im Westen und ein Haus in Jasbor.«
Bjoremul lachte. »Das wird ja immer besser. Deine Frau ist ein Schatz.« Dann verstummte er, und sein Blick fuhr ins Leere.
»Mein Angebot gilt noch«, sagte Nuramon und schaute Bjoremul direkt in dessen zweifelnde Augen. »Lass uns deine Frau und deine Tochter holen. Was spricht dagegen? Oder bindet dich noch etwas an das Königreich?«
Er lachte heiser. »Von meiner Familie abgesehen – nein. Um Treue jedenfalls mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr.«
»Dann lass uns gehen. Vielleicht liegt ein Albenpfad in der Nähe von Varlbyra.«
Bjoremul überlegte lange. Erst als die Reiter unter dem Fuchsbanner auf der anderen Seite der Festung verschwunden waren, nickte er. »Also gut. Es gibt noch einige, die mir einen Gefallen schulden. Dann sind alle Gefallen aufgebraucht.«
»Und die Familie deiner Frau?«
»Sie haben sie enterbt.«
»Ich will dir nichts vormachen«, sagte Nuramon leise. »Die Yannadrier werden dir misstrauen. Es gab in all den Jahren nur wenige Überläufer, und jeder von ihnen benötigte Jahre, um Vertrauen zu gewinnen.«
»Ich kämpfe lieber um das Vertrauen deines Fürsten, als weiter mit dem unstillbaren Misstrauen König Mirugils zu leben.« Bjoremul deutete zu den Kriegern hinab, die gerade unten auf den Hof einritten. »Das ist also der große Jasgur. Ich hörte, du und er, ihr hättet Teredyr fast allein
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