Nuramon
Jahrhunderte überdauern.«
»Wenn man sie nicht vernichtet«, erwiderte sie und starrte ihn an.
»Natürlich. Aber ich halte dich für weise genug, die Lehre, die ich aus meinen vielen Fehlern zog, nicht einfach ins Feuer zu werfen.«
»Was willst du damit erreichen, Helerur?«, fragte sie. »Was auch immer du geschrieben hast, wird meine Meinung über dich nicht ändern. Ich weiß ebenso wie meine Mutter, dass du ein kluger Geist bist. Und sollte sie an dem magischen Gift in ihrem Körper zugrunde gehen, wird dieses Papier hier nicht verhindern, dass der Henker zu dir kommt.« Sie war im Begriff die Papiere zurückzulegen, als ihr Blick auf das oberste Blatt fiel. Die Lehren des Terbarul stand dort geschrieben. »Terbarul?«, fragte sie.
Helerur erhob sich vom Bett und nickte. »Wenn man sich an mich erinnern soll, dann nicht als Herzog, sondern allein wegen dieser Worte. Lies, und du wirst verstehen. Ich musste mein altes Leben auf geben, um dort auf diesen Blättern ein neues beginnen zu können.«
»Das klingt mir nach zu viel Selbstmitleid«, entgegnete sie.
Helerur hob die Hände. »Tu mit diesen Zeilen, was du willst. Vernichte sie, verspotte sie als die Worte eines Verräters, oder ziehe deinen Nutzen daraus.«
Nerimee beobachtete ihn. Er wirkte ruhig und abwartend. Sie las weder Spott noch Dringlichkeit in seinen Zügen. Schließlich nickte sie langsam. »Ich werde es lesen.«
»Danke«, sagte er und beugte sein Haupt vor ihr.
»Ich will keinen Dank aus Helerurs Mund hören. Den Dank Terbaruls aber werde ich vielleicht zur Kenntnis nehmen.« Mit diesen Worten verließ sie die Zelle.
Als ihre Leibwächter sie auf dem Heimweg fragten, ob ihr Besuch sich gelohnt habe, nickte sie nur.
Varlbyra
Nach einem langen, mühsamen Winter kehrte Nuramon am 15. Obu run 2278 – ein halbes Jahr nach dem Anschlag auf die Fürstenfamilie – über die Albenpfade zu den Kriegern zurück. Er hatte den Vortag, Daoramus Geburtstag, in Jasbor verbracht und war nun bereit für die entscheidende Schlacht.
Der Albenstern lag vierzig Meilen westlich von Varlbyra, der Hauptstadt von Varmul. Hier sammelte sich das yannadrische Heer, und unter Borugars Führung zogen sie ostwärts durch ein sanftes Hügelgebiet, das sich auf halbem Wege zu einem Wiesenland öffnete und den Blick in eine weite Senke lockte, in der die Schafe und die Rinder weideten. Der Rest des Weges war mit all den Wäldern und Hügeln unübersichtlich und bot viele Möglichkeiten für einen Angriff aus dem Hinterhalt. Doch ihnen stellte sich keine feindliche Streitmacht in den Weg. Sie hatten die Varmulier so sehr geschwächt, dass diese keine Wahl hatten, als ihr Hauptheer in Varlbyra zu sammeln und auf Verstärkung aus dem Süden zu warten.
Unbehelligt stießen die Yannadrier bis nach Varlbyra vor und kämpften sich die Hügelkette nördlich der Stadt empor und bezogen dort und hinter den Hügeln Stellung. Von hier aus schlossen sie einen Halbkreis um die Stadt, in der der Großteil der feindlichen Krieger lagerte. Schließlich errichteten sie zwischen zwei Hügeln ihr Hauptlager und das Wundlager. Es war eine Provokation. Zwei Kriegsbanner warteten links und rechts in den Wäldern an den Hängen darauf, dass der Feind sich verleiten ließ, das scheinbar leicht einnehmbare Hauptlager anzugreifen.
»Du wirst dich zur Abwechslung auf die Heilung der Verletzten beschränken«, erklärte Borugar Nuramon, als sie mit den wichtigsten Feldherren und Beratern im Fürstenzelt beieinandersaßen.
»Und was geschieht, wenn der Hofmagier oder seine Handlanger auf dem Schlachtfeld erscheinen?«, fragte Nuramon und schaute zwischen Borugar und Jasgur hin und her.
»Dann machst du dich bereit und ziehst mit den Ilvaru in den Kampf«, antwortete der Fürst.
»Und was ist mit mir?«, fragte Gaerigar, der am Zelteingang stand und nun näher trat. Borugar hatte ihn zum Kriegsrat berufen. Er meinte, nur so könne ein großer Feldherr aus ihm werden.
»Du wirst tun, was man dir befiehlt, mein junger Krieger«, sagte Borugar grinsend.
»Großvater!«, rief er. »Du kannst mich nicht ewig zurückhalten.«
Borugar hob die Hand. »Keine Widerworte!«
Gaerigar schüttelte den Kopf, schaute die Reihe der Feldherren entlang und blickte dann zu Boden. »Wie du willst.«
»Gut«, sagte Borugar. »Ich brauche dich nämlich an meiner Seite, wenn wir morgen früh das Nordtor stürmen.«
Nuramons Sohn blickte erschrocken auf und starrte Borugar fassungslos an. Auch Nuramon
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