Nuramon
die Schwellung zurückging. Als sie schließlich den Ruljas überquerte und nördlich der Lysdorynen auf der Kranzstraße nach Westen ging, hatte sie Angst, die Rückkehr nach Jasbor könnte die Wunden, die der Tod Yargirs gerissen hatte, wieder aufreißen. Als sie aber an die Küste kam und die Insel erblickte, fühlte es sich wie eine Heimkehr an.
Bjoremul war stolz auf Lyasani. Hatte seine Tochter an der Seite Yendreds und Salyras bei der Fürstengarde nur für Unruhe und Ärger gesorgt, blühte sie unter Nylmas Verantwortung auf. Der Fürst hatte Nylma nach ihrer Rückkehr nicht nur zu einer seiner Beraterinnen gemacht, sondern ihr auch die Würde einer Wyrenara verliehen. Yendred, Lyasani und Salyra wurden ihre Schützlinge. Nun hatte Lyasani Bjoremul im Stockkampf auf die Knie gezwungen. Gesagt hatte er ihr, dass er eben alt werde, doch in Wahrheit war seine Tochter bereits besser, als er in jenem Alter zu hoffen gewagt hätte.
Gelegentlich dachte Bjoremul an Dyra, aber er vermisste sie nicht mehr. Lange hatte er sie für die Schuldgefühle gehasst, die sie in ihm entfacht hatte, und dafür, dass sie Lyasani in ihrer Entscheidung außer Acht gelassen hatte. Später hatte er sich selbst gehasst, weil er Dyra vernachlässigt hatte. Nun aber tröstete ihn Lyasani durch die Lebensfreude, die sie an der Seite Yendreds und Salyras gefunden hatte.
Borugar hatte es Jasgur versprochen, und so ließ er sich am Neujahrstag 2282, beinahe vier Jahre nach Ende des Krieges, von den Ahnenpriestern mit dem Rückhalt der Herzöge und Grafen zum König von Yannadyr krönen. Als das neue Banner des Königreiches wehte – die Birkeneiche auf blauem Grund – und sie ihm die Krone brachten, die einst die Könige von Nylindor und zuvor die Fürsten von Yannadyr getragen hatten, fühlte er sich mit den Ahnen verbunden.
Kurz darauf griffen die Varmulier unter einem Fürstenrat, der nichts anderes als die Herrschaft von Kriegsherren bedeutete, nach ihren verlorenen Fürstentümern im Westen. Jene Fürsten, deren Krieger unter Bjoremul in Varlbyra um ihre Unabhängigkeit gekämpft hatten, riefen ihn nun um Hilfe an. Sie versicherten ihm, dass sie vor dem Untergang standen. Und in dieser Lage, die neue Krone auf dem Haupt, wurde Borugar schwach und ließ sich von Jasgur, vom Jasborer Stadtrat und den Herzögen überreden, als Gegenleistung zu verlangen, dass die Fürstentümer zwischen dem Ruljas und dem Arljas ihn als König akzeptierten und Teil von Yannadyr würden. Die Fürsten sagten zu, und so griff er ein – mit seinen jungen, hungrigen Feldherren. Und es gelang, die Varmulier jenseits des Arljas zu halten.
Bjoremul fühlte sich geehrt, als Fürst Sargul von Byrabar im Osten des neuen Königreichs Yannadyr ihm anbot, als Herzog von Amulbyr in seine Dienste zu treten. Nirgendwo sonst waren er und seine Taten so angesehen wie im Land zwischen den Flüssen Ruljas und Arljas. Denn die Menschen hier waren wie er: Sie waren Varmulier gewesen und nun zu Yannadriern geworden.
Mit Borugars Zustimmung nahm er das Angebot an. Lyasani würde in Jasbor bleiben. Sie hatte hier ihre Freunde, war sechzehn und damit alt genug. »Es heißt: Zum Erwachsenwerden gehört, sich von den Eltern zu lösen«, sagte er ihr beim Abschied und schloss sie in die Arme. »Aber die Wahrheit ist: Du hast hier ein Leben, und ich habe meines irgendwo in den Wirren dieses Krieges verloren. Ich bin es, der wieder erwachsen werden muss.«
Erwachen
Nuramon war erleichtert, als Yendred mit Nylma, Lyasani und Salyra nach Jasbor zurückkehrte. Sein Sohn hatte nicht nur seine Aufgabe, die Magie der Quellen draußen im Land zu pflegen, gemeistert, er war auch mit zahlreichen Steinen voller Zauberkraft zurückgekehrt und berichtete, dass der magische Fluss an manchen Quellen zugenommen habe. »Ich habe zur Vorsicht mehr Steine als vorgesehen in die Quellen gelegt«, sagte er, und Nuramon dankte ihm mit einem zufriedenen Lächeln und einer Umarmung. Nach Jahren der Suche und der Fehlschläge, in denen Daoramu durch den Jugendstein zwar keinen Tag gealtert aber dennoch nicht erwacht war, waren sie nun so weit, einen großen Heilversuch zu wagen.
Auch die Lektüre von Tarsuns Zauberbuch hatte sie auf unterschiedlichen Pfaden weitergebracht. Nuramon wusste nun, dass die Tjuredanbeter ihre Magie inzwischen als die Gabe ihres Gottes betrachteten und nach ihrer Sicht nur die Gläubigen es wert waren, diese Zauberei zu wirken. All jene, die nicht reinen Glaubens waren,
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