Nuramon
herabgesenkt. Nerimee lächelte Gaeria zu, dann ging sie vorüber. Sie würde den Abend bei ihrer Mutter verbringen.
Als sie das Studierzimmer betrat, fand sie ihren Vater über die Besitztümer des Magiers Tarsun gebeugt. Er stand am großen Tisch unter dem Fenster, prüfte einige Ringe und lächelte sie an, als sie an seine Seite kam.
Neben ihm lag Tarsuns Buch, und sie fuhr mit den Fingern über das Siegel, über die Wangen der Maske des Guillaume. »So hat er also ausgehen. Und so sah Noroelle aus. Sie muss eine wunderschöne Frau gewesen sein.«
Ihr Vater schwieg.
Nerimee schlug das Buch auf, betrachtete die geschwungenen, ihr unbekannten Schriftzeichen und hielt bei den wenigen Zeichnungen inne. Vorn gab es einen Baum, an dem ein Mann hing – ein Mann mit den Zügen der Maske. Vor dem Baum standen Elfen, die an ihren kantigen Gesichtern und den spitzen Ohren zu erkennen waren. »Das wären dann wohl du, Farodin und die anderen.«
Nuramon nickte. »Sie haben Mandred vergessen«, sagte er mit beinahe gelangweilter Stimme.
»Wie willst du diese Schrift erlernen?«, fragte sie. »Kennst du die Sprache?«
»Das Wort für Elf kenne ich«, sagte er leise. »Den Namen Guillaume habe ich entziffert. Emerelle und Tjured und Aniscans. Mit ein wenig Fleiß könnte ich es binnen Wochen enträtselt haben. Ob ich mir dann einen Reim auf die Sprache machen kann, hängt davon ab, ob diese Sprache mit einigen der alten, die ich kenne, verwandt ist.«
»Hast du denn keinen Verdacht?«, fragte sie.
»Es könnte mit dem Fargonischen verwandt sein«, sagte er. »Fargon ist das Königreich, in dem Aniscans liegt; die Stadt, in der man Guillaume ermordete.«
Ihr Vater ließ sich das Buch von ihr reichen, blätterte über das erste Drittel des dicken Bandes hinweg und hielt bei einer listenartigen Wortsammlung inne, die hier und dort um Skizzen von Handpositionen ergänzt war. »Das müssen die Zaubersprüche sein«, sagte er und hielt ihr die aufgeschlagenen Seiten hin.
Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Das macht mir ungeheure Angst, Vater«, sagte sie leise. »Irgendwo da draußen lesen unsere Feinde in Büchern wie diesen.«
Nuramon nickte. »Aber nun, da wir das Gesicht unserer Feinde kennen, können wir uns vor ihnen schützen. Diese Beute wird uns einen Pfad eröffnen.«
In den folgenden Wochen enträtselte Nuramon die Schrift des Tjured-Bandes und erkannte tatsächlich eine jüngere Form des Fargonischen darin. Doch Tarsuns Buch war nicht das einzige, das sie erbeutet hatten. Sie hatten einen Großteil der königlichen Bibliothek von Varlbyra mitgebracht. Die meisten Bände hatte Borugar nicht behalten wollen. Denn er hatte Daoramu vor Jahren, als sie noch in Merelbyr gelebt hatten und er der Graf von Doranyr gewesen war, versprochen, ihr keine erbeuteten Bücher heimzubringen. So übergab Borugar alle Schriften zunächst der Ratsbibliothek von Jasbor, wo deren Herkunft geprüft wurde. Lag diese in Yannadyr oder befreundeten Gebieten, fanden die Bücher zu ihren rechtmäßigen Besitzern zurück. Den Rest durfte der Rat behalten. So behielt Borugar nur jene Bände, die aus der alten Bibliothek des Königs von Nylindor stammten, denn diese gehörten zum Erbe des Hauses Yannaru. Die meisten dieser Bücher und Schriftrollen waren vor Jahrhunderten Teil der Fürstenbibliothek gewesen; jene, die der letzte Yannaru-König aus Yannadyr gen Osten mitgenommen hatte, bis sie mit dem Thron schließlich in Ralenyl angekommen waren. Dort hatten sie die Varmulier bei der Eroberung der Stadt erbeutet.
Während Nuramon in der Fürstenbibliothek das Buch der Tjured anbeter studierte, verbrachte Nerimee die Nachmittage in der Ratsbibliothek. Was sie in den Schriften fanden, flüsterte Nuramon am Abend Daoramu zu, und oft lasen er und Nerimee ihr aus den längst verschollen geglaubten Büchern vor. Eines Abends jedoch begaben sie sich mit Nylma und Yendred zu Daoramu, um einen Zauber zu erproben. Yendred hatte nun bei Nylma Trost gefunden, da Lyasani mit Bjoremul bei Jasgur war und Salyra mit Helgura und Borugar auf eine Rundreise durchs Fürstentum aufgebrochen war. Er schien bei ihr eine Geborgenheit zu finden, die Daoramu ihm früher gegeben hatte, und Nylma war offensichtlich bereit, ihm diese zu gewähren.
Daoramu war heute in ein graues Kleid aus Teredyr gekleidet. Nylma hatte es ausgewählt. Zudem trug sie inzwischen den Almandin, der gut mit dem Jugendstein harmonierte. Abwechselnd legten er und Nerimee die Hände an
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