Nuramon
immer sie einander bedeuteten, er konnte – anders als seine Schwiegermutter Jaswyra – nichts Falsches daran erkennen.
Schließlich begannen sie zu zaubern. Während Nerimee und Yendred die Magie aus den Steinen zogen und ihm zuspielten, knüpfte Nuramon den Heilzauber an den Almandin und lenkte ihn durch diesen hindurch direkt auf das magische Gift. Es war, als hätten sie jahrelang an der Mischung eines Trankes gearbeitet und nun endlich das Verhältnis der Zutaten gefunden. Der Zauber war rasch gemischt, und so verabreichte Nuramon ihn Daoramu.
Es folgten Stunden, in denen sie einander abwechselten. Mal lenkte Nerimee den Strom der Magie in Daoramus Leib, mal Yendred, mal er selbst. Das Schweigen ließ die Zeit lang werden, und bald schon verließ Salyra und Lyasani die Geduld. Nachdem Yendreds Kräfte erschöpft waren, schickte Nerimee ihn und seine beiden Freundinnen nach oben, um sich auszuruhen und etwas zu essen.
Nach sieben Stunden des magischen Stroms war mehr als die Hälfte der Magie, die die Steine erfüllte, verbraucht. Nuramon lenkte die Kräfte, und Nerimee saß neben ihm und löffelte eine Suppe, die sie sich aus der Küche geholt hatte. Und dann geschah es: Der Zauber zog mit einem Mal ungeheuerliche Kräfte aus den Edelsteinen. Nerimee stellte die Schüssel hastig auf dem Boden ab, trat an Nuramons Seite, hielt die Hände vor und half ihm, den Strom der Magie in seiner Bahn zu halten. »Sie kommt zurück«, flüsterte sie immer wieder. »Sie kommt zurück!«
Der Sog stieg immer wieder an, bis die Magie schließlich emporschoss, Nuramon und Nerimee gleichermaßen von den Beinen riss, ungezügelt in die Höhe zuckte, sich dann zu einer Säule verdichtete und in die Decke stieß.
Langsam erhob sich Nuramon an der Seite seiner Tochter, und als sie beide bei Daoramu waren, schaute er Nerimee fragend an. Sie nickte, und so legte er seine Hände auf Daoramus Brust, direkt über den Almandin und den Jugendstein der Ceren. Ein Rest all der Zauberkraft glühte noch in Daoramus Körper. Nuramon wandte noch mehr Macht auf, um seine magischen Sinne zu schärfen, und sah den fremden Zauber, den er und Nerimee so oft verflucht hatten. Wie ein Nest, aus dem giftige Spinnen herauskletterten, lag er vor seinen Sinnen. Nuramon löste die Hand von Daoramu und blickte seiner Tochter ins Gesicht. »Das Gift ist noch da«, sagte er und atmete enttäuscht aus.
Nerimee schaute ihn mit glänzenden Augen an. »Das war die Magie von Jahren«, flüsterte sie.
Als die Zauberkraft, die noch in Daoramu glühte, sich abgekühlt hatte, prüften sie, ob der Almandin zumindest ein wenig der Macht aufgenommen und an Daoramu weitergeleitet hatte. Sie hofften, dass sie die Wirkung, die der Edelstein auf Nylma gehabt hatte, durch die Menge der Magie beschleunigen konnten. Aber sie fanden weder im Almandin noch in Daoramu den heilsamen Hauch, den Nylma in sich trug.
Nuramon strich Daoramu durch das Haar und küsste sie auf die Stirn. Er wollte sie gerade von ihrem Bett aus Edelsteinen aufheben, da öffnete sich die Tür, und Yendred lief herein. Als sein Blick auf Daoramu fiel, breitete sich die Enttäuschung auf seinem Gesicht aus. »Ich dachte …« Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Ihr müsst mitkommen«, sagte er mit aufbrausender Stimme. »Sofort!«, rief er. »Die Birkeneiche! Eine Wolke von Magie drang aus dem Boden und umhüllt sie nun.«
Daoramu tauchte aus dem Schlaf wie aus einem warmen Meer auf und schwamm langsam von den Wellen vorangetrieben dem Ufer entgegen. Sie wusste nicht, wie lange sie in diesem Meer gelebt hatte, aber sie erinnerte sich an die Träume, zwischen denen die Strömung sie hin- und herbewegt hatte.
»Geh du, Vater!«, hörte sie Nerimee mit der Stimme einer reifen Frau sagen. »Wahrscheinlich ist es nichts weiter als die Magie, die uns entwichen ist.«
Daoramu spürte, dass sie in der Finsternis irgendwo Lippen berührten. Schritte entfernten sich, und zurück blieb nur Stille.
»Es war nur ein Versuch«, flüsterte Nerimee. »Wir werden dich niemals aufgeben. Ganz gleich, wie lange es dauert.« Finger berührten sie, und wieder vermochte sie nicht zu sagen, wo es geschah. Ihr Körper war wie eine Fläche aus Haut, ohne jede Form.
Sie wollte sich bewegen, doch sie spürte nichts; sie wollte sprechen, doch vernahm ihre Stimme nicht; sie wollte blinzeln, doch sie wusste nicht einmal, ob sie noch Augenlider besaß. Ihr blieb nichts, als die Berührung ihrer Tochter zu genießen, ganz
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