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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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seinem Glück gezwungen werden. Aber es ist nicht an mir, das zu entscheiden.« Er reichte die Schlüssel an den spitzohrigen Mann weiter, wandte sich dann ab und ging fort.
    Nun lag ihr Schicksal also in den Händen des Mannes mit den warmen braunen Augen. »Und nun?«, fragte sie. »Wirst du mich zu meinem vermeintlichen Glück zwingen?«
    Statt zu antworten, trat er näher und probierte stumm einen Schlüssel nach dem anderen aus. Daoramu betrachtete das Spiel von Licht und Schatten auf seinem Antlitz. Wieder spürte sie, wie sich ein Lächeln auf ihr Gesicht legte. Ihre Gedanken wanderten zu ihren früheren Geliebten und zu all den Tränen und Enttäuschungen zurück, die diese ihr hinterlassen hatten. Und nun stand dieses Geheimnis von einem Mann vor ihr, und sie fragte sich, ob es mit ihm, der sie mit jedem Augenblick ein wenig mehr verzauberte, anders sein könnte.
    »Bist du ein Alvaru?«, flüsterte sie und fühlte sich mit einem Mal wie das kleine Mädchen, das auf dem Schoß ihres Großvaters sitzend geglaubt hatte, Märchen würden wahr.
    Er nestelte ein weiteres Mal am Schloss ihres Kerkerraumes, dann endlich fand er den passenden Schlüssel und öffnete ihr die Tür. »Es gibt viele Namen für meinesgleichen«, antwortete er. »Kind der Alvar, Alvaru, Ilvar – oder einfach Elf.«
    Daoramu starrte ihn an. Konnte das wirklich sein? Womöglich hatte er nur deswegen so geantwortet, weil ihm die ständigen Fragen nach seinen Ohren lästig waren. Aber dann trat sie aus ihrem Kerker hinaus und stand dem Fremden direkt gegenüber. Dieses Gesicht, diese geheimnisvollen Augen, die im Licht strahlten und im Schatten finster wie die Nacht waren, und dazu diese Ohren: Das alles vertrieb den Zweifel. Ihr Großvater hatte recht gehabt. Es waren nicht nur Märchen gewesen.
    Der Alvaru reichte ihr sein Kurzschwert. Zögernd nahm Daoramu die Waffe an und folgte ihm in Richtung des Saals. Es war Jahre her, dass sie ein Schwert in Händen gehalten hatte. »Ich weiß nicht, ob ich eine Hilfe bin«, sagte sie. »Vielleicht sollte einer der anderen die Waffe nehmen.«
    »Es ist deine Entscheidung«, sagte er nur und zog sein langes Schwert aus dem Schultergurt.
    Ehe Daoramu sich entscheiden konnte, führten der Elf und Bjoremul sie und all die anderen Befreiten die Treppe in die Halle hinauf. Sie hielt sich hinter dem Alvaru, dessen Namen sie nicht einmal kannte. Er führte sie an den blutigen Leichen einiger Festungswa chen vorüber. Darunter war auch Sarogul. Die Leere in dessen Miene, die starren Augen und die klaffende Wunde in seiner Brust entlockten Daoramu nicht das geringste Gefühl des Mitleids. Sie dachte nur daran, wie er es genossen hatte, die Teredyrer zu quälen.
    Der Alvaru führte sie und die Teredyrer in die Halle, hob dort die linke Hand, und Blitze zuckten vor ihnen von der Decke herab und rauschten ohrenbetäubend. Die Wachen, die sich hier gesammelt hatten, suchten schreiend das Weite. Der Elf strebte sofort durch das Tor auf den Hof hinaus, und Daoramu und ihre neuen Gefährten folgten ihm.
    Es war Nacht, doch der Mond spendete genug Licht, um die Wachen am Tor zu erkennen. Der Alvaru hob bereits wieder die Hand zum Zaubern, und Daoramu hatte keinen Zweifel, dass er ihr und den anderen den Weg aus der Festung bahnen würde. Wie ein Baum an einem mächtigen Fluss, dessen Wurzeln freigespült waren und der sich mit dem Erdreich vom Ufer löste und davontrieb, ließ sich Daoramu vom Alvaru mitreißen – über den Hof zum Tor, an den zurückweichenden Wachen vorüber, durch die Pforte hinaus auf die mondbeschienenen Straßen von Werisar; einer Stadt, die Daoramu fremd war und in der ein Haus dem anderen zu gleichen schien. Hornsignale erhoben sich über den Dächern, und immer mehr Hörner stimmten ein, aber sie fürchtete sich noch immer nicht. Als von Westen Wachen kamen, hob der Alvaru ein weiteres Mal die Hand, und kalte Flammen türmten sich auf der Straße in die Höhe. Kreischend machten die Angreifer kehrt.
    »Gut so, Nuramon!«, rief Gaeremul.
    Nuramon. Ein Name wie aus den Märchen. Sollte das, was sie als Kind vernommen hatte, wirklich wahr sein? Vielleicht lag sie immer noch in ihrer Zelle und träumte einen aufregenden Traum. Sprach nicht alles dafür? Schwanden nicht alle Hindernisse, die zwischen ihrem Gefängnis und der Freiheit standen, allzu leicht dahin?
    Die Gardisten in den Straßen wagten sich nicht an sie heran, die Torwachen wichen zur Seite aus. Schon öffneten die Teredyrer die

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