Nuramon
zurücklassen wollte.«
Die Gesandte aus Yannadyr nickte. »Ich hätte wohl das Gleiche getan.«
Am Rande des Dorfes erwartete sie der Stadtälteste Yangor Yurgaru. Sein Sohn Werengol stand an seiner Seite, stützte sich jedoch auf einen Stock. Der alte Yangor schloss Nuramon in die Arme. »Ohne dich wäre uns das nie gelungen«, sagte er. Auch Werengol kam auf Nuramon zu und reichte ihm den Arm, und Nuramon packte ihn. »Ich stehe in deiner Schuld, Alvaru«, sagte der junge Krieger.
»Freunden schuldet man nichts für ihre Hilfe«, entgegnete Nuramon.
Dann trat Yangor vor Bjoremul. »Nachdem du uns ein zweites Mal geholfen hast, werden wir Varramil, Dorgal und die anderen drei freilassen.« Er wies zu einem der kleineren Steinhäuser. »Sie sind dort. Du kannst zu ihnen gehen.«
Bjoremul nickte, und kaum war er fort, wandte Yangor sich an Daoramu. »Ein neues Gesicht sehe ich.«
»Ich bin Daoramu Yannaru«, sagte sie und beugte ihr Haupt vor Yangor. »Ich bin die Tochter des Feldherrn Borugar, des Grafen von Doranyr und kam im Namen des Fürsten von Yannadyr nach Varmul. Mit Beginn des Krieges sperrte man mich in den Kerker.«
Yangor lächelte und reichte ihr die Hand. »Die Feinde der Varmulier sind uns willkommen«, sagte er.
»Wenn es so ist, könnte ich meinem Vater ein Bündnis vorschla gen. Wie ich hörte, hat König Mirugil eure Stadt erobert. Wenn Nura mon uns den Weg auf die Zauberpfade öffnet, könnten wir euch zu Hilfe eilen.«
Yangors Augen verengten sich zu Schlitzen. »Das erscheint mir ein wenig viel für die Befreiung einer Abgesandten.«
»Eine deiner Kriegerinnen erzählte mir von den Minen«, sagte Daoramu. »Die Varmulier wollen das Eisen, um Waffen zu schmieden, die gegen mein Volk eingesetzt würden. Mein Herr würde sich gewiss mit einem Handel zufriedengeben.«
Yangor tauschte Blicke mit seinem Sohn und den anderen Begleitern. »Reden wir in meinem Haus darüber. Ich möchte dich und Nuramon dort als Gäste willkommen heißen. Es ist zwar nicht so groß wie unser Haus unten in der Stadt, aber es bietet genug Platz. Kommt. Während die anderen im Hier und Jetzt feiern, werfen wir einen Blick in die Zukunft.«
Nuramon nickte, und an Daoramus Seite folgte er der Einladung des Stadtältesten. Auf dem Weg zu Yangors schmalem Haus, das direkt neben dem des Minenvorstehers lag, flüsterte sie ihm zu: »Mit deiner Macht könntest du Großes vollbringen, Nuramon.«
»Das haben mir schon manche gesagt«, antwortete er und dachte an Dorgal, Varramil und Bjoremul. »Aber ich strebe nicht nach Kriegsruhm.«
»Ich meinte auch weniger den Krieg«, entgegnete sie. »Der Krieg ist teuer. Er lässt Reichtum verkümmern und fordert Leben. Ich dachte an den Handel. Rasch an jeden beliebigen Ort zu gelangen könnte die Teredyrer zu mehr machen als die Betreiber einer einträglichen Mine. Ihr müsstet nur einen Ort finden, an dem eure Waren teuer gehandelt werden.«
»Ich war schon vieles, aber Händler noch nie«, sagte Nuramon. »Ich fürchte, dazu fehlt mir der Ehrgeiz.«
Daoramu holte erst Luft, schwieg dann aber.
In Yangors Haus aßen Nuramon und Daoramu einen Eintopf und sprachen mit Yangor und Werengol über das, was in den letzten Tagen geschehen war. Die Varmulier im Tal hatten versucht, mit einem kleinen Trupp Krieger den Berg emporzuklettern. Das Vorhaben scheiterte kläglich an den Bogenschützen, die Werengol an wichtigen Punkten postiert hatte. Seither war es still unten im Tal. Von Relegir hatten sie noch nichts gehört, aber Yangor zweifelte nicht daran, dass sein Neffe mit Söldnern zurückkehren würde. »Und mit ein wenig Glück«, sagte er, »sammelt er die Flüchtlinge auf, die gen Osten geflohen sind.«
Nach dem Essen zog sich Nuramon zurück, damit Yangor und Daoramu in aller Ruhe verhandeln konnten. Er begab sich aufs Flachdach, schaute den Teredyrern unten auf dem Platz beim Feiern zu und lauschte den Trommeln und den Flöten. Doch es gab auch jene, die sich nicht mitreißen ließen; jene, die liebgewonnene Menschen verloren hatten und nun lediglich erleichtert zu sein schienen, das Schlimmste überstanden zu haben. Vor dem Haus des Minenvorstehers sah er die Trauernden. Der Minenarzt Byrr und dessen Gehilfinnen überbrachten die schlechten Nachrichten und spendeten dann mit sanften Gesten Trost.
Nuramon freute sich für die Feiernden und litt mit den Trauernden, doch für ihn fühlte es sich nicht wie eine Heimkehr an – weder im Guten noch im Schlechten. Trotz all
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