Nuramon
Devanthar einst eine Macht in die Hand geben, über die er selbst nicht verfügte, gegen die er lediglich immun war. Die Tjuredanbeter sind längst auf einen Pfad gelangt, der das Gefüge nicht stört. Es ist, als hätten sie sich damit abgefunden, dass dies eine Welt der Magie sein wird und nicht jene karge Welt, die die Devanthar einst anstrebten.«
Nuramon nickte langsam. »Also gut«, sagte er. »Was bleibt uns also? Wie genau sollen wir die magische Flut zügeln?«
»Man kann Großes mit kleinen Taten vollbringen«, sagte Dareen. »Was, wenn ich dir sagte, dass aller Zauber, der notwendig ist, bereits vollbracht ist und wir ihn nur noch entfesseln müssen?«
»Wenn es diese Macht gibt«, sagte Nuramon, »dann lass sie uns entfesseln.«
»Sie liegt auf alten Albenpfaden, die seit den frühesten Tagen der Welt verborgen und versiegelt sind. Öffnet man sie wieder, verteilt sich die Magie auf ihnen und löst Zauber aus, die sich von ihr nähren. Und die Flut würde vergehen.«
»Aber warum hat dann nicht schon längst jemand diese Pfade entfesselt?«, fragte Nuramon.
»Sie sind unsichtbar, selbst für magische Sinne. Selbst für die Devanthar. Von den Alben heißt es, sie hätten sie vage spüren können.«
Nuramon schüttelte den Kopf. »Das ist jenseits von allem, was ich vermag. Du beschreibst eine Macht, die die Alben vielleicht einmal besessen haben. Aber an diesen Klippen müssen meine Fähigkeiten zerschellen – ganz gleich, wie alt meine Seele ist. Und selbst wenn es möglich wäre: Die Magie steigt gewiss schneller, als ich lernen könnte, was nötig ist.«
Dareen lächelte sanft. »Du schätzt deine Fähigkeiten richtig ein, Nuramon. Es ist zu spät, um diese Macht zu erlernen.«
Er starrte sie ungläubig an, dann wanderte sein Blick zu seinen Ge fährten, doch in ihren Mienen sah er dieselbe Ratlosigkeit. Warum erzählte sie ihnen all diese Dinge, um ihnen dann zu sagen, dass sie ihnen nicht weiterhelfen würden?
Das Orakel hob die Hand. »Erinnere dich, was die Elfenkönigin dir einst sagte, indem sie einen alten Orakelspruch wiederholte. Alles, was du bist, ist in dir, sagte sie. Und das ist die Wahrheit. Die Macht, die du benötigst, besitzt du bereits, Nuramon. Sie schlummert in dir. So wie du die verborgenen Albenpfade öffnen sollst, musst du auch den Weg zu deinen frühesten Erinnerungen ebnen. Ich weiß nicht viel über diese Zeit, denn deine Erinnerung ist von Mauern umgeben, durch die ich nicht hindurchdringen kann, solange du es nicht vermagst. Aber ich habe Einblick in das Leben deiner Eltern erhalten. Es war nicht viel, aber daran knüpft sich alles, was uns nun noch bleibt. Deinen Eltern war von den Alben die Macht gegeben, Albenpfade zu versiegeln. Die Alben hatten einen Geist an einen Stab gebunden, der diese Siegel erschaffen konnte. Du hast diese Macht von ihnen gelernt, den Stab von ihnen erhalten und dazu einige Zauber. An diese Zauber musst du dich erinnern.«
Nuramon starrte sie nachdenklich an. Was das Orakel ihm erzählte, löste keinerlei Erinnerungen in ihm aus. »Wozu haben sie Pfade versiegelt?«, fragte er schließlich.
»Diese Macht stammt aus den Tagen, da die Albensteine noch nicht in den Händen der Albenkinder lagen. Einige der ersten Alben kinder erhielten Artefakte, in denen die Macht von Geistern gefangen war. Die Macht, einen Albenpfad zu versiegeln, um Geheimwege zu schaffen, war wertvoll. Mit den Albensteinen und der wachsenden Erfahrung derer, die sie führten, verlor die Macht deiner ersten Eltern aber an Bedeutung.«
Einmal mehr verfluchte Nuramon, dass er sich zwar an seine früheren Leben erinnern und sich nahezu jeden Augenblick seines Daseins vor seine Sinne holen konnte, ihm dies für die ersten beiden Leben jedoch nur bruchstückhaft gelang. »Ich werde nach diesen Erinnerungen suchen, Dareen«, sagte er nickend.
Das Orakel erhob sich, schaute zu Nuramon auf und strich ihm über die Wange. »Rette Daoramu. Vertrau alten Freunden. Und gehe dorthin, wo die Meister der Erinnerung lebten.«
Nuramon lächelte. Die Meister der Erinnerung. Es gab nur ein Volk, das eine ganze Kultur um die Erinnerung erbaut hatte: die Kinder der Dunkelalben – die Zwerge. »Wir müssen also nach Neu-Aelburin.«
»Du warst schon einmal in jenem Reich, aus dem die Zwerge auszogen, um diese Welt zu verlassen und in ihre alte Heimat in Albenmark zurückzukehren. Deine Erinnerungen werden dir den Weg weisen.«
»Du meinst die Inschriften in den Hallen – und die
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