Nuramon
während das Mondlicht am Ende des Sternenbandes dort liegt.«
Nuramon folgte mit dem Blick und stellte sich vor, Dareens Auswahl entspräche der Wahrheit. »Es wäre ein neues Weltgefühl«, sagte er und lächelte.
Dareen fasste seine Hand, zog ihn empor und schaute mit ihren glänzenden Augen zu ihm auf. »Nun, da der Hass von dir gefallen ist und du um alles weißt, musst du voranschreiten. Tatendrang und Zielstrebigkeit sollen deine Geschwister sein. Geh! Rette deine Liebste! Finde deine Erinnerungen! Und dann löse die Siegel, und lass die Magie schwinden!«
Nuramon nahm Dareens Hand und küsste sie. »Ich werde dich nicht enttäuschen«, sagte er und stellte fest, dass ihre Lippen bebten.
»Du weißt, dass ich nur ein Geist bin«, sagte sie. »Die Hände die du küsst, sind nur eine Illusion.« Sie lächelte, und ihre Hände zitterten. »Aber ich danke dir«, flüsterte sie.
Nuramon schloss sie in die Arme, und da begann das Orakel leise zu weinen. Es flüsterte immer wieder: »Es tut mir leid.«
Nuramon schwieg und strich ihr über den Rücken und durch das Seidenhaar. Er konnte sich das Ausmaß ihrer Gefühle nicht vorstellen. Sie hatte Jahrtausende auf diesen Schicksalspfad hingewirkt, und so wunderte es ihn nicht, dass sie seine Ankunft so sehr aufwühlte.
Als Dareen sich schließlich von ihm löste, zeigten seine Zaubersinne ihm ihr ungerührtes Gesicht. Die Ergriffenheit schien von ihr abgefallen oder von einem Schein umhüllt zu sein. Das Orakel war ihm ein Rätsel. Und doch glaubte er, dass die Gefühle, die es eben gezeigt hatte, echt gewesen waren. »Wie kann ich von dir Stärke erwarten, wenn ich selbst schwach werde?«, sagte sie.
Nuramon strich ihr sanft über die Wange und lächelte. »Deine Last ist viel größer als die meine«, sagte er. »Leb wohl, Dareen.«
Sie lächelte liebevoll, und dann war sie verschwunden.
Orakelblick
Nun war Dareen wieder allein und dachte an das Ende, das sie anstrebte. Nicht alles konnte noch so eintreten, wie sie es gewahrt hatte, aber falls Nuramon oder seine Kinder die magische Flut beendeten, hätte sie ihr Ziel erreicht. Sie wollte, dass das, was seit Jahrtausenden auf den verborgenen Pfaden schlummerte, endlich erwachte. Dieses Ziel hatte sie Nuramon verschweigen müssen, denn es hätte Fragen aufgeworfen und Zweifel gesät. Und der Zweifel an ihr hätte die ersehnte Zukunft in Gefahr gebracht.
Ceren war angetan von Oregir und Sawagal. Die neuen Magier halfen Nerimee bei der Ausgestaltung der Magischen Hallen, und Nuramons Tochter fasste mehr und mehr Vertrauen in sie. Sie waren fleißig, wissbegierig und ehrgeizig. Besonders Oregir hatte Ceren ins Herz geschlossen. Die Magie war seine Welt, und ihn kümmerte wenig anderes. Sawagal hingegen sprach oft von seinen Ambitionen, der größte Magier zu werden und wirkte überrascht, wann immer Ceren ihm versprach, ihn auf diesem Weg zu unterstützen. Er wollte die Welt verändern und Ruhm dafür ernten. Bei den Tjuredanbetern hätte aus ihm ein Kampfzauberer werden können, aber hier, unter ihrer Obhut, würde er wachsen und lernen, den Ruhm zu erkennen, der in kleineren Dingen lag.
Nuramons Abwesenheit bereitete Ceren jedoch Sorgen, und mit jedem Tag, an dem er ausblieb, wuchs in ihr die Angst, dass er nicht mehr zurückkehrte. Doch selbst wenn er in der Fremde den Tod fände, gäbe es noch Hoffnung. Jedes Mal, wenn sie Nerimee von Bargorl, dem Gesandten aus Alvarudor, sprechen hörte, erhielt diese Hoffnung neue Nahrung, und sie fühlte sich nicht unter Menschen, sondern unter Albenkindern.
Heimkehr im Winter
Am Mittag erschienen Nuramon und seine Gefährten in der Festung vor der Steilküste. Der Meereswind wehte feinen Schnee von den tiefgezogenen Dächern, und die Wachen riefen seinen Namen und bemühten sich, auf dem festgefrorenen Schlamm das Gleichgewicht zu bewahren.
Der Festungsfürst war ein Krieger namens Merro. Er hatte einst zu Gaerigars Freunden gezählt. Nach seiner ersten Schlacht bei den Seekriegern war er mit einer schweren Verwundung heimgekehrt und hatte sich auf Nuramons Rat hin als Herr der Festung Weststern beworben, da es den vorherigen Festungsfürsten zurück auf das Schlachtfeld gezogen hatte.
Merro kam näher, und Nuramon schloss ihn in die Arme. Im Lächeln des Kriegers stand noch immer die Dankbarkeit; dabei hatte Nuramon nichts dazu beigetragen, dass Borugar und die Feldherrn ihn zum Festungsfürsten gemacht hatten. In knappen Worten berichtete Merro ihm, dass die
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