Nuramon
braucht er dich, weil du Zauberkraft in dir trägst. Er ist auch nur ein Mann mit Trieben. Als du im Schlaf lagst, hat er sich mit anderen vergnügt. Du selbst betrachtest Loramu und musst gestehen, dass sie genau das ist, was einem Mann den Kopf verdrehen würde. Aus einer schwachen Stunde im Krieg wurde mehr. Und nun ist es begraben und beinahe vergessen, weil er dich wieder hat und du ihm mehr nützt als sie. Und damals in Teredyr, vor deiner Zeit, waren ihm die Liebesgrotten keineswegs unbekannt. Und Nylma ebenso wenig. Du bist blind für sein wahres Wesen. Er täuscht dich mit Zauberhand. Es gibt nur eine, die er wirklich liebt: Ceren. Und es wird der Tag kommen, da sie sich an einen Menschenkörper bindet. Vielleicht sogar an deinen.«
Daoramu schoss die Hitze in den Kopf. Sie war immer wieder kurz davor, dem Geist etwas entgegenzuschreien, doch sie hielt aus und zerbrach beinahe daran.
»Er verheimlicht dir, dass die Magie in deinem Jugendstein vergehen wird, sobald er die Siegel gebrochen hat und die Magie sich abschwächt«, sagte der Geist, und da konnte sie nicht anders, als zu lachen. »Du Narr!«, rief sie. »In deiner Verzweiflung hast du offenbart, dass du unsere Gedanken lesen kannst. Nichts weiter. Du schürst alte Ängste, die längst verdrängt waren, und bemühst dich, neue zu entfachen. Aber du bist gescheitert – jämmerlich gescheitert.«
Nuramon trat einen Schritt vor die Gefährten. »Vielleicht bist du der Devanthar, vielleicht bist du es nicht. Es ist unwichtig. So wie der Devanthar einst behauptete, er könnte mit Gedanken töten, so behauptest du all das, was unseren Zweifel nähren könnte. Der Schlüs sel liegt darin, dir kein Wort zu glauben. Denn selbst die Wahr heit kleidest du in Lüge. Wir werden gehen, die Siegel brechen und dich und alle, die sonst darauf hoffen, mit der Magie an die Oberfläche dieser Welt gespült zu werden, wieder in dunkle Tiefen hinabstoßen.«
»Ich bin der Devanthar«, sprach der Geist.
Nuramon zuckte mit den Schultern. »Glaubte ich das, würdest du mich nur noch stärken. Denn dann hättest du der düsteren Zukunft, die auf mein Versagen folgen würde, ein Gesicht gegeben, das ich bereits hasse. Es war dein Fehler, uns zu erscheinen.«
»Nein«, sagte der Manneber. »Es war ein Fehler von euch, hier zu übernachten und euch unseren Blicken auszusetzen. Denn was ihr wisst, weiß nun auch ich. Ich sehe die Siegelzauber.« Er lachte, und mit seinem Lachen hallten Hufschläge von Firnstayn heran. Eine Kriegerschar ritt auf dem schneebedeckten Eis. Einige der Reiter hielten Stäbe in die Höhe, die so viel Magie abstrahlten, dass Daoramu es spüren konnte. Und auch ihre Träger umgab ein zauberhafter Schein.
Nuramon schaute zu den Reitern und sprach dann zum Manneber: »Schauen wir, wie mächtig ihr seid.« Er wies mit der Hand hinter sich, ließ das Lichttor am Albenstern erscheinen und gab Gaerun und Rawila ein Zeichen. Diese warfen das Gepäck ins Licht, dann halfen sie Loramu durch das Tor. Nylma und Bjoremul folgten. Daoramu wich nicht von Nuramons Seite, und so bewegten sie sich gemeinsam rückwärts, während die Reiter immer näher kamen. Ehe sie ganz im Licht versanken, sagte Nuramon: »Folgt uns, wenn ihr so mächtig seid. Nur wenn ihr uns aufhaltet, könnt ihr sicher sein, dass die Siegel unberührt bleiben.«
Nuramon erschien mit Daoramu Hand in Hand auf den Albenpfaden. Er löste sich langsam von ihr und streckte die Finger vor. Das Lichttor schrumpfte bereits, als ein Schatten hindurchdrang. Mit einem Ruck zwang Nuramon das Tor in die Lichtinsel. Der Geist, der hindurchgeschlüpft war, wich erst vor Nuramon nach links, dann vor Nylma nach rechts aus, tauchte unter einem pfeifenden Hieb von Bjoremuls Dreschflegel hindurch, und strebte geradewegs auf Loramu zu. Rawila hob ihren magischen Schild in die Höhe und ließ den Schatten davon abprallen. Die Gestalt schrumpfte sichtlich, während sie die Richtung wechselte und schließlich auf Daoramu zustrebte.
Nuramon trat vor, streckte die Hände aus und versetzte dem Wesen einen magischen Stoß. Schon war Bjoremul zur Stelle, traf das Wesen mit dem Kriegsflegel und katapultierte es von der Lichtinsel hinaus in die Schwärze. Das Wesen schrie glockenhell und begann im Fallen zu leuchten, während dunkler Nebel es umhüllte. Schließlich verschwand es funkelnd in der Tiefe.
Nuramon wandte sich ab und ging in die Hocke. »Macht euch bereit«, sagte er, und schloss die Augen. »Falls die
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